10.09.2021

Warnung vor der lodernden Glut

Frühe Anzeichen von Vulkanausbrüchen mit lernenden Algorithmen besser deuten.

Explosive Vulkanausbrüche kündigen sich oft an: Die dynamischen Gas- und Magmaströme im Inneren des Berges verändern sich schon vorher merklich und bewirken unter anderem ein Heben und Senken der Vulkan­oberfläche, das von Satelliten erfasst wird. Zur besseren Analyse und Interpretation dieser Beobachtungs­daten hat ein interdisziplinäres Team um Binayak Ghosh und Mahdi Motagh vom Deutschen Geo­forschungs­zentrum Potsdam (GFZ) Methoden des maschinellen Lernens weiter­entwickelt. Damit lassen sich nun auch sehr kleine Deformationen der Oberfläche automatisiert feststellen. Das ist eine wichtige Grundlage, um die wachsenden Daten­mengen über die weltweit mehr als 1500 aktiven Vulkane quasi in Echtzeit analysieren zu können. Damit wird es auch möglich, präziser vor Ausbrüchen zu warnen.

 

Abb.: Die durchschnittliche Deformation über dem Vulkan Colima, Mexiko, für...
Abb.: Die durchschnittliche Deformation über dem Vulkan Colima, Mexiko, für den Zeitraum 2017-2019 anhand deutscher TerraSAR-X-Daten. (Bild: GoogleEarth / LANDSAT / Copernicus / Maxar Technologies / CNES / AIRBUS / TerraSAR-X / DLR)

Wie die Anzeichen bevorstehender Vulkanausbrüche frühzeitig und präzise zu detektieren und zu interpretieren sind, wird am GFZ in Kooperation diverser Disziplinen erforscht. „In die Beurteilung vulkanischer Aktivität fließen verschiedene Parameter ein“, erklärt der Vulkanologe Thomas Walter. „Dazu gehören seismische Messungen, Beobachtungen der Temperatur, der Zusammen­setzung freigesetzter Gase – und der häufig sehr komplexen Oberflächendeformation.“ Letztere haben die Forscher nun genauer unter die Lupe genommen.

Schon in der griechischen Mythologie finden sich Analogien vulkanischer Aktivität zum menschlichen Atmen. Und tatsächlich: Die Oberfläche vieler Vulkane hebt und senkt sich messbar – fast so als atmeten sie ein, bevor sie Gas, Asche oder Lava ausspeien. Solche Wölbungen und Senkungen werden von Beobachtungs­satelliten erfasst, die die Erde umkreisen. Mithilfe spezieller Radartechnologien tasten sie die Erdoberfläche ab. Bei jeder Erdumkreisung vergleichen sie die reflektierten Mikrowellen mit dem vorherigen Muster und berechnen daraus ein Interferenz­bild, das die Änderungen des Bodens widerspiegelt.

Verformungen an einer Vulkanoberfläche betragen allerdings oft nur wenige Millimeter. In den Aufzeichnungen der Satelliten werden sie überlagert von Schwankungen in der Streuung der Mikrowellen an den Oberflächen oder von atmosphärischen Störsignalen. Die nun vorgestellte neue Methode der computergestützten Daten­analyse bringt deutlichen Fortschritt in der Interpretation der Satellitenaufnahmen. Sie wurde von Binayak Ghosh und Mahdi Motagh, Leiter der Arbeitsgruppe Radar und optische Fernerkundung, zur Analyse von Geohazards, in Kooperation mit Thomas Walter, Leiter der Arbeitsgruppe Vulkan­tektonik und -gefahren, sowie Kollegen vom GFZ, der Leibniz Universität Hannover und der Eberhard Karls Universität Tübingen entwickelt.

Bisher mussten die Satelliten­aufnahmen mit bloßem Auge gesichtet und ausgewertet werden. Dabei blieben insbesondere kurzzeitig auftretende Veränderungen weniger untersucht, obwohl auch sie wichtige Informationen über das Innenleben eines Vulkans liefern können. Um die überlagerten Signale in den Satelliten­aufnahmen zu entschlüsseln, haben Wissenschaftler weltweit bereits in den vergangenen Jahren künstliche Intelligenz genutzt und insbesondere Methoden im Bereich des maschinellen Lernens (ML) entwickelt.

Ghosh und Motagh haben nun eine neue Herangehensweise gewählt, um die bisherigen ML-Algorithmen zu optimieren. „Unser Ansatz basiert auf der Berechnung eines minimalen aufspannenden Baumes“, sagt Doktorand Ghosh und erklärt: „Im Prinzip vergleichen unsere Algorithmen die unterschiedlichen Suchergebnisse eines der bisherigen ML-Algorithmen miteinander, um diejenigen Signale herauszufiltern, die mit größter Wahrscheinlichkeit tatsächliche Oberflächenverschiebungen anzeigen.“

Ihre Methode haben Ghosh und Motagh an mehreren Datensätzen erprobt, darunter auch an Satellitenaufnahmen des west­mexikanischen Volcán de Colima. Ihre Algorithmen detektierten dabei gleich mehrere bislang unbeobachtete Deformations­ereignisse. „Möglicherweise senken Vulkane sich noch häufiger auf und ab, als uns bislang bekannt war“, erläutert Mitautor Walter. „In unseren verschiedenen Fallbeispielen konnten wir sowohl Anzeichen von neu auftretenden Deformationen als auch von Veränderungen in laufenden Deformations­prozessen erkennen“, ergänzt Motagh. „Unsere Studie zeigt, dass die computergestützte Auswertung der Satellitenaufnahmen mithilfe unserer neuen Algorithmen insgesamt deutlich präziser und verlässlicher als bisher Episoden von Oberflächen­deformation detektiert“, fasst Ghosh zusammen. „So ein quasi-automatisiertes Verfahren wird dringend benötigt, um die ständig wachsende Menge an Beobachtungs­daten der etwa 1500 aktiven Vulkane auszuwerten“, betont Walter.

„Unser Ziel ist die Beobachtung vulkanischer Aktivitäten quasi in Echtzeit“, sagt der Vulkanologe. Sein Kollege Motagh erläutert die konkrete Vorstellung für den technischen Einsatz der neuen Analysemethode: „Die Satellitendaten sind frei verfügbar. Hochpräzise und verlässliche Algorithmen wie der von uns entwickelte könnten die Aufnahmen direkt in der Cloud auswerten“, sagt er. Damit entfiele Zeit- und Arbeits­aufwand für das Herunterladen und die lokale Verarbeitung der riesigen Datenmengen. „Die Algorithmen könnten frühzeitig veränderte Aktivitäts­muster von Vulkanen aufzeigen“, erklärt Motagh. „Diese Art von Model-basiertem „flagging“ gibt uns Hinweise auf potentiell wichtige vulkanische Geschehen, insbesondere auf Vorboten bevorstehender Eruptionen“, ergänzt Walter. „Dadurch ermöglicht sie Entscheidungen zum weiteren Vorgehen.“ Die automatische Analyse und Interpretation der verfügbaren Satellitendaten kann Forschern zudem helfen, das periodische Verhalten von Vulkanen langfristig detaillierter zu beschreiben.

GFZ / DE

 

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