27.06.2025

Warum Kristallkörner in Metallen und Keramiken anders wachsen als gedacht

Studie eröffnet neue Wege, um Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Marco Salvalaglio von der TU Dresden hat herausgefunden, dass nicht nur die Grenzflächenenergie, sondern auch innere Spannungen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Mikrostruktur kristalliner Materialien spielen. Die Ergebnisse stellen klassische Theorien infrage und könnten dazu beitragen, Werkstoffe künftig gezielter zu entwickeln.

Abb.: Phasenfeldsimulationen zeigen die Mikrostrukturentwicklung in einem...
Abb.: Phasenfeldsimulationen zeigen die Mikrostrukturentwicklung in einem System mit etwa tausend Körnern. Korngrenzen (schwarz) trennen Bereiche unterschiedlicher Orientierung (weiß). Gezeigt werden i) mittlere Krümmungsbewegung (MCF, blau) und ii) MCF mit inneren Spannungen, wie bei Vielkristallen. Unten rechts zeigt die Farbcodierung (blau bis rot) die zeitliche Entwicklung. Pfeile markieren Bewegungen entgegen der Krümmung – ein Hinweis auf scherkopplungsgesteuerte Korngrenzenbewegung.
Quelle: M. Salvalaglio, TU Dresden

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Polykristalline Materialien bestehen aus vielen winzigen Kristallkörnern – den Grains – und sind allgegenwärtig: in Gesteinen der Natur ebenso wie in Metallen und Keramiken technischer Anwendungen. Die Anordnung und Veränderung dieser Körner beeinflussen entscheidend die Eigenschaften eines Materials, etwa seine Festigkeit, Verformbarkeit oder elektrische Leitfähigkeit. Zu verstehen, was diese Veränderungen antreibt – insbesondere die Rolle innerer mechanischer Spannungen – ist der Schlüssel zum besseren Verständnis des Materialverhaltens und zur gezielten Entwicklung neuer Werkstoffe.

Mithilfe theoretischer Modellierung und aufwändiger Computersimulationen zeigt das Team um Salvalaglio, dass Scherdeformationen und interne Spannungen, die beim Wandern von Korngrenzen entstehen, einen wesentlichen Einfluss auf die Mikrostrukturentwicklung haben. Dieser Mechanismus – bekannt als „shear coupling“ – sorgt dafür, dass das Kornwachstum deutlich von den Vorhersagen klassischer Modelle abweichen kann.

Die Studie liefert damit eine Erklärung, warum sich polykristalline Materialien oft anders verhalten als erwartet und eröffnet neue Wege, um Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln, etwa für stabilere Metalle oder leistungsfähigere Elektronik. Darüber hinaus unterstreicht die Forschung, was kristalline Materialien von anderen Systemen wie Schäumen oder Emulsionen unterscheidet: Sie können elastische Verformungen im Inneren aufnehmen und speichern.

„Die Rolle innerer Spannungen bei der Mikrostrukturentwicklung polykristalliner Materialien zu verstehen, war von Beginn an ein zentrales Ziel unserer Forschung: angefangen bei der Entwicklung eines passenden Kontinuumsmodells bis hin zu ersten Untersuchungen zur Korngrenzenbewegung“, erklärt Salvalaglio. „Besonders spannend war es zu sehen, dass wir damit bislang nicht erklärbare experimentelle Beobachtungen einordnen können und klassische Theorien grundlegend überarbeiten. Als Nächstes wollen wir untersuchen, wie diese Mechanismen mit plastischen Relaxationen innerhalb der Körner zusammenwirken und ob sich ähnliche Effekte in Mehrkomponentenmaterialien zeigen.“

TU Dresden / RK

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