30.11.2017

Wasser spalten mit Sonnenkraft

Größte solarchemische Wasserspaltungs-Anlage geht in Almería in Betrieb.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat am 28. November 2017 gemeinsam mit internationalen Projektpartnern die bislang größte solar­chemische Anlage zur Produktion von Wasserstoff präsentiert. Im Projekt HYDROSOL_Plant haben Wissenschaftler und Industrie­unternehmen gemeinsam das Verfahren der direkten Wasserstoff­herstellung durch Sonnen­strahlung weiterentwickelt. Mit verbesserten Materialien und einem neuen Aufbau des Reaktors war es möglich, eine Anlage mit einer Leistung von 750 Kilowatt aufzubauen. Sie ist damit deutlich leistungsstärker als die vorherige Entwicklungsstufe, die über eine Leistung von 100 Kilowatt verfügte. In den kommenden Monaten werden die Wissenschaftler auf der Plataforma Solar in Almería (PSA) im Süden Spaniens im Test- und Demonstrations­betrieb Wassersoff herstellen und die Eignung der Materialien untersuchen.

Abb.: Wasserstoff-Produktion mit Sonnenenergie auf der Plataforma Solar de Almería (Bild: DLR / Ernsting)

Wasserstoff hat das Potenzial, den Anteil der erneuerbaren Energien insbesondere im Verkehrs- und Wärmesektor zu erhöhen. Der Energieträger kann zum Beispiel in Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb direkt als Treibstoff getankt werden. Zudem ist er eine Komponente bei der Herstellung von synthetischen Treibstoffen wie Methan, Methanol, Benzin oder Kerosin. Mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff kann somit den Kohlen­dioxid-Ausstoß im Verkehrs- und Wärme­sektor erheblich senken. Karsten Lemmer, DLR-Vorstand für Energie und Verkehr betont: „Gerade im Verkehrssektor können Wasserstoff­antriebe erheblich zum Klimaschutz beitragen. Das Forschungsprojekt HYDROSOL_Plant ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer effizienten Herstellung von Wasserstoff mit Hilfe von Sonnen­energie."

Koordiniert vom griechischen Forschungsinstitut Aerosol and Particle Technology Laboratory (CERTH-CPERI-APTL) arbeiten in dem internationalen Projekt das DLR, das spanische Forschungs­institut Centro de Investigaciones Energéticas Medio­ambientales y Tecnológicas (CIEMAT), das niederländische Unternehmen HyGear und das griechische Energie­versorgungs­unternehmen Hellenic Petroleum zusammen. Das DLR-Institut für Solarforschung ist dabei maßgeblich für die Entwicklung des Solar­reaktors, das Anlagen-Lay-out und die Mess- und Regeltechnik verantwortlich. Das Projekt wurde der europäischen Technologie­initiative für Brennstoff­zellen und Wasserstoff Initiative (Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking, FCH 2 JU) gefördert.

Die Wasserstoffherstellung erfolgt direkt mit der Wärmeenergie der Sonne durch eine thermo­chemische Redox-Reaktion. Dabei wird das Licht der Sonne durch eine Vielzahl von Spiegeln auf einen Brennpunkt konzentriert, in dem sehr hohe Temperaturen entstehen. Mit der so erzeugten Wärme lässt sich Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Im ersten Teil des Verfahrens heizt die Sonne Redox-Materialien wie zum Beispiel Nickel-Ferrit oder Ceroxid im Innern eines Reaktors auf 1400 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen wird das Material chemisch reduziert, das heißt Sauerstoff­moleküle werden freigesetzt und aus dem Reaktor hinaus transportiert. Im zweiten Schritt, der bei 800 bis 1000 Grad Celsius abläuft, erfolgt die eigentliche Wasserspaltung. Dabei lassen die Forscher Wasser­dampf durch den Reaktor strömen, das reduzierte Material nimmt den Sauerstoff des Wassers auf – es wird chemisch oxidiert. Der Sauerstoff verbleibt im Reaktor, während der Energie­träger Wasserstoff herausströmt. Ist das Material komplett oxidiert, wird es durch den ersten Prozess­schritt wieder regeneriert und der Zyklus beginnt von neuem.

Aufbauend auf früheren Forschungsprojekten haben die Forscher sowohl den Aufbau des Reaktions­reaktors als auch die Materialien entscheidend weiter­entwickelt. Durch eine zweite Bündelung der Solarstrahlung mit einem innen­verspiegelten Trichter wird nun weniger Wärme abgestrahlt, wodurch sich der Wirkungsgrad des Prozesses erhöht. Neu entwickelte Keramik­schäume versprechen eine höhere Wasserstoff­ausbeute sowie eine längere Haltbarkeit. Die Wissenschaftler erwarten, dass sie im Testbetrieb pro Woche zirka drei Kilogramm Wasserstoff herstellen können. Martin Roeb, Projektleiter beim DLR-Institut für Solarforschung: „Mit HYDROSOL_Plant haben wir erstmalig eine Anlage entworfen, die den vollständigen Prozess, von der Erzeugung über die Abtrennung von hochreinem Wasserstoff bis hin zur Speicherung, umfasst. Obwohl sich unsere Arbeiten noch im Bereich der Forschung befinden, können wir bereits die signifikante Menge von einem Kilogramm Wasserstoff pro Woche erzeugen. Damit kann zum Beispiel ein effizientes Brennstoff­zellen­fahrzeug über 100 Kilometer weit fahren."

Wasserstoff ist eine der wichtigsten Grund­chemikalien. Heute wird er hauptsächlich für die Produktion von Dünger und zur Entschwefelung von Rohöl eingesetzt. In Japan sind bereits über 200.000 Brennstoff­zellen-Systeme in Gebäuden im Einsatz. Wasserstoff soll dort auch in großen Gas­kraftwerken eingesetzt werden, um Strom zu produzieren und so fossile und nukleare Kraftwerke ersetzen. Zudem kann der Einsatz von Wasserstoff bei industriellen Verfahren, wie etwa der Stahl­produktion, zu erheblichen Kohlendioxid-Einsparungen beitragen. Mit der Marktreife und der kommerziellen Anwendung des Verfahrens rechnen Forscher jedoch erst in einigen Jahren: „Erste Anwendungen können Insellösungen sein, wenn zum Beispiel kein Anschluss an das Elektrizitäts­netz besteht. Dann lohnt sich unser Herstellungsverfahren eventuell bereits ab einer Wasserstoff­produktion von zehn Kilogramm pro Woche. Je nachdem, wie schnell die Entwicklung voranschreitet, kann das Verfahren aber in zehn Jahren bereits zur industriellen Erzeugung von Wasserstoff dienen", glaubt Roeb.

Die generelle Idee zum HYDROSOL-Projekt und seine Machbarkeits­demonstration wurden bereits mehrfach mit wissenschaftlichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2007 mit dem Descartes-Preis der Europäischen Union und dem Eco Tech Award der Weltausstellung in Tokio 2005.

DLR / DE

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