Wechselspiel von Raumkrümmung und Licht
Gekrümmte Oberflächen simulieren Lichtablenkung durch große Massen.
Gemäß Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie lässt sich Gravitation als Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit beschreiben. Himmelskörper und auch Licht bewegen sich in diesem gekrümmten Raum entlang von Geodäten, die die lokal kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten darstellen. Um den Einfluss von Gravitation auf die Ausbreitung von Licht zu untersuchen, sind Wissenschaftler normalerweise auf astronomische Längenskalen und die Beteiligung großer Massen angewiesen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Forscherteam der Unis Erlangen-Nürnberg und Jena.
Abb.: Ein Laserstrahl breitet sich im Experiment entlang der zweidimensionalen Oberfläche einer sanduhrförmigen Glasfigur aus und windet sich dabei einmal um die Figurentaille. Diese Figur ist ein Beispiel für eine negativ gekrümmte Oberfläche. (Bild: V. Schultheiß, U. Erlangen-Nürnberg)
Die Wissenschaftler um Ulf Peschel bedienen sich eines Tricks: Statt alle vier Dimensionen der Raumzeit zu verändern, reduzieren sie das Problem auf zwei Dimensionen und untersuchen die Lichtausbreitung entlang gekrümmter Oberflächen. Krümmung ist jedoch nicht gleich Krümmung. Während man zum Beispiel einen Zylinder oder Kegel leicht zu einem flachen Stück Papier auffalten kann, ist es nicht möglich, die Oberfläche einer Kugel flach auf dem Tisch auszubreiten, ohne dabei die Fläche zu zerreißen oder zumindest stark zu verzerren. Im Experiment wurden die Auswirkungen genau dieser intrinsischen Krümmung des Raumes auf die Lichtausbreitung untersucht.
Dazu wurde das Licht in einem schmalen Bereich nahe der Oberfläche eines maßgefertigten Körpers gefangen und so gezwungen, dem Verlauf der Oberfläche zu folgen. Dabei verhielt es sich während der Ausbreitung so, wie es der Ablenkung durch große Massen entspräche. Durch eine Variation der Krümmung der Oberfläche kann man die Lichtausbreitung sogar steuern. Umgekehrt ist es aber auch möglich, durch eine Analyse der Lichtausbreitung etwas über die Krümmung der Oberfläche selbst zu lernen. Übertragen auf astronomische Beobachtungen heißt das, dass dem uns von weit entfernten Objekten erreichenden Licht wertvolle Informationen über den durchquerten Raum aufgeprägt sind.
In ihrer Arbeit untersuchten die Forscher hierzu die nach den beiden englischen Physikern Robert Hanbury Brown und Richard Twiss benannte Intensitätsinterferometrie, die zur Bestimmung der Größe sonnennaher Sterne verwendet wird. Bei diesem Messverfahren werden zwei Teleskope mit variablem Abstand auf den zu untersuchenden Stern ausgerichtet und die jeweils von beiden Standpunkten aus sichtbaren Helligkeitsschwankungen miteinander verglichen. Die Helligkeitsunterschiede sind eine Folge der Interferenz unabhängig voneinander auf der Sternoberfläche emittierten Lichts – in der Beobachtungsebene sichtbar als ein körniges Helligkeitsmuster – und erlauben es, Aussagen über die Größe des beobachteten Objektes zu machen.
Da die Lichtwege in einem gekrümmten Raum im Vergleich zum flachen Fall viel stärker dazu neigen zu konvergieren oder zu divergieren, ändert sich auch die Korngröße des Helligkeitsmusters in Abhängigkeit von der Raumkrümmung. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Kenntnis der Raumkrümmung entscheidend für die Interpretation der Ergebnisse ist, aber auch, wie sich derartige interferometrische Experimente dazu eignen, die allgemeine Krümmung des Universums genauer zu vermessen.
Ob die Forschungsergebnisse tatsächlich zu einem besseren Verständnis unseres Universums beitragen, ist allerdings noch unklar. „Ziel unserer Forschung ist es zunächst, Erkenntnisse der Allgemeinen Relativitätstheorie durch die bewusste Modulierung von Oberflächen von Objekten in die Materialwissenschaften zu übertragen“, sagt Peschel. Dabei entstehen Verknüpfungspunkte zwischen diesen beiden auf den ersten Blick völlig verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. „Gekrümmte Oberflächen bergen ein bisher ungenutztes Potenzial zum Beispiel zur Steuerung von Lichtwegen in optischen Systemen. Durch lokale Variationen der Oberflächenkrümmung kann man oft das gleiche bewirken, wie durch eine Veränderung des Volumenmaterials selbst. Die Zahl nötiger Arbeitsschritte und verwendeter Materialien bei der Herstellung integrierter optischer Schaltkreise oder mikrooptischer Komponenten kann so eventuell reduziert werden. “
FAU / RK