07.01.2016

Wechselspiel von Raumkrümmung und Licht

Gekrümmte Oberflächen simulieren Licht­ab­lenkung durch große Massen.

Gemäß Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie lässt sich Gravitation als Krümmung der vier­dimensionalen Raum­zeit beschreiben. Himmels­körper und auch Licht bewegen sich in diesem gekrümmten Raum entlang von Geo­däten, die die lokal kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten dar­stellen. Um den Ein­fluss von Gravitation auf die Ausbreitung von Licht zu unter­suchen, sind Wissen­schaftler normaler­weise auf astronomische Längen­skalen und die Beteiligung großer Massen angewiesen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Forscher­team der Unis Erlangen-Nürnberg und Jena.

Abb.: Ein Laserstrahl breitet sich im Experiment entlang der zweidimensionalen Oberfläche einer sanduhrförmigen Glasfigur aus und windet sich dabei einmal um die Figurentaille. Diese Figur ist ein Beispiel für eine negativ gekrümmte Oberfläche. (Bild: V. Schultheiß, U. Erlangen-Nürnberg)

Die Wissenschaftler um Ulf Peschel bedienen sich eines Tricks: Statt alle vier Dimensionen der Raum­zeit zu verändern, reduzieren sie das Problem auf zwei Dimensionen und unter­suchen die Licht­aus­breitung entlang gekrümmter Ober­flächen. Krümmung ist jedoch nicht gleich Krümmung. Während man zum Beispiel einen Zylinder oder Kegel leicht zu einem flachen Stück Papier auf­falten kann, ist es nicht möglich, die Ober­fläche einer Kugel flach auf dem Tisch auszu­breiten, ohne dabei die Fläche zu zerreißen oder zumindest stark zu verzerren. Im Experiment wurden die Auswir­kungen genau dieser intrin­sischen Krümmung des Raumes auf die Licht­aus­breitung unter­sucht.

Dazu wurde das Licht in einem schmalen Bereich nahe der Ober­fläche eines maßge­fertigten Körpers gefangen und so gezwungen, dem Verlauf der Ober­fläche zu folgen. Dabei verhielt es sich während der Ausbreitung so, wie es der Ablenkung durch große Massen entspräche. Durch eine Variation der Krümmung der Ober­fläche kann man die Licht­aus­breitung sogar steuern. Umgekehrt ist es aber auch möglich, durch eine Analyse der Licht­aus­breitung etwas über die Krümmung der Ober­fläche selbst zu lernen. Über­tragen auf astronomische Beob­achtungen heißt das, dass dem uns von weit entfernten Objekten erreichenden Licht wert­volle Informa­tionen über den durch­querten Raum aufge­prägt sind.

In ihrer Arbeit untersuchten die Forscher hierzu die nach den beiden englischen Physikern Robert Hanbury Brown und Richard Twiss benannte Intensitäts­inter­fero­metrie, die zur Bestimmung der Größe sonnen­naher Sterne verwendet wird. Bei diesem Mess­ver­fahren werden zwei Tele­skope mit variablem Abstand auf den zu unter­suchenden Stern ausge­richtet und die jeweils von beiden Stand­punkten aus sicht­baren Hellig­keits­schwankungen mitein­ander verglichen. Die Helligkeits­unter­schiede sind eine Folge der Inter­ferenz unab­hängig vonein­ander auf der Stern­ober­fläche emit­tierten Lichts – in der Beob­achtungs­ebene sicht­bar als ein körniges Hellig­keits­muster – und erlauben es, Aussagen über die Größe des beob­achteten Objektes zu machen.

Da die Lichtwege in einem gekrümmten Raum im Vergleich zum flachen Fall viel stärker dazu neigen zu konver­gieren oder zu diver­gieren, ändert sich auch die Korn­größe des Helligkeits­musters in Abhängig­keit von der Raum­krümmung. Die Wissen­schaftler konnten zeigen, dass die Kenntnis der Raum­krümmung entscheidend für die Inter­pretation der Ergebnisse ist, aber auch, wie sich der­artige inter­fero­metrische Experimente dazu eignen, die allgemeine Krümmung des Universums genauer zu vermessen.

Ob die Forschungsergebnisse tatsächlich zu einem besseren Verständnis unseres Universums beitragen, ist allerdings noch unklar. „Ziel unserer Forschung ist es zunächst, Erkennt­nisse der Allgemeinen Relativitäts­theorie durch die bewusste Modulierung von Ober­flächen von Objekten in die Material­wissen­schaften zu über­tragen“, sagt Peschel. Dabei entstehen Verknüpfungs­punkte zwischen diesen beiden auf den ersten Blick völlig verschiedenen Wissen­schafts­disziplinen. „Gekrümmte Ober­flächen bergen ein bisher unge­nutztes Potenzial zum Beispiel zur Steuerung von Licht­wegen in optischen Systemen. Durch lokale Variationen der Ober­flächen­krümmung kann man oft das gleiche bewirken, wie durch eine Veränderung des Volumen­materials selbst. Die Zahl nötiger Arbeits­schritte und verwendeter Materialien bei der Herstellung inte­grierter optischer Schalt­kreise oder mikro­optischer Komponenten kann so eventuell reduziert werden. “

FAU / RK

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