Wechselwirkung in ultrakalten Gasen
Bindungsmechanismus eines Rydbergmoleküls aus nur zwei Atomen analysiert.
Physikern der Technischen Universität Kaiserslautern um Herwig Ott ist es erstmals gelungen, die Wechselwirkung zwischen zwei Atomen in ultrakalter Materie mit Hilfe von Rydbergmolekülen zu verändern. Diese erst kürzlich entdeckten großen Moleküle bestehen aus nur zwei Atomen, deren Bindungsmechanismus nicht mit gängigen chemischen Modellen beschrieben werden kann. Sie besitzen außergewöhnliche Eigenschaften wie etwa eine große Bindungslänge.
Abb.: In diesem Experiment arbeiteten die Forscher um Herwig Ott mit einer ultrakalten Wolke (Mitte, rot) aus Rubidiumatomen. (Bild: AG Ott, TUK)
Um solche Quantenphänomene zu erforschen, setzen Physiker auf ultrakalte atomare Gase. „Hierbei herrschen Temperaturen um den absoluten Nullpunkt, rund -273 Grad Celsius“, sagt Herwig Ott, der zu ultrakalten Quantengasen und Quantenatomoptik forscht. „Das Verhalten der atomaren Gase wird dabei von der Wechselwirkung zwischen den Atomen bestimmt.“ Experten sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem quantenmechanischen Streuprozess. „Für die Wissenschaft sind solche Gase bei der Erforschung von quantenmechanischen Effekten von großer Bedeutung, weil sich diese Wechselwirkungen im Labor verändern lassen“, sagt Ott.
Otts Arbeitsgruppe ist es nun erstmals gelungen, die Wechselwirkung zwischen ultrakalten Atomen mit Hilfe von Rydbergmolekülen zu verändern. Die Idee für den Versuch: Zwei Atome, die zusammenstoßen, werden kurzzeitig mittels eines Laserstrahls in einen Zustand versetzt, der einem Molekül entspricht. „Dadurch verbringen sie eine längere Zeit beieinander“, sagt Ott. „Dies verändert den quantenmechanischen Streuprozess zwischen den beiden Atomen und damit auch die Wechselwirkung zwischen ihnen.“ Im Experiment konnten die Kaiserslauterer Forscher dies jetzt beobachten.
Dazu haben sie aus zwei Rubidiumatomen ein Rydbergmolekül erzeugt. Diese Form der Moleküle wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. Es handelt sich hierbei um Moleküle, die so groß wie Viren sein können, aber nur aus zwei Atomen bestehen. In der Regel sind Moleküle, die aus zwei Atomen bestehen, wesentlich kleiner. Im Gegensatz zu bislang bekannten Bindungen, bei denen sich zum Beispiel zwei Atome jeweils ein Elektron teilen, wirkt hier ein anderer Mechanismus: Ein Elektron weist zum Atomkern nur eine sehr schwache Bindung auf und befindet sich auf einer äußeren Elektronenbahn, es ist in einem Rydbergzustand. Das zweite Atom erfährt nun eine quantenmechanische Wechselwirkung mit dem Elektron und es entsteht eine schwache Bindung zwischen den beiden Atomen.
„Diese Moleküle zeichnen sich durch eine Reihe außergewöhnlicher Eigenschaften aus“, sagt Ott, „wie etwa ihre extrem große Bindungslänge von einigen hundert Nanometern sowie ihre sehr großen elektrischen Dipolmomente.“ Dabei können Moleküle eine räumlich getrennte positive und negative Ladung besitzen. Die neuen Ergebnisse ermöglichen es zum einen, die Wechselwirkung in nahezu jedem ultrakalten Gas zu ändern. Zum anderen eröffnen sie auch neue Anwendungsmöglichkeiten wie die direkte Kontrolle von Mehrteilchenwechselwirkungen. „Aber auch Wechselwirkungen mit längeren Reichweiten als bislang möglich lassen sich so künftig induzieren“, nennt der Physiker als weiteres Beispiel. „Damit könnten in Zukunft neuartige Materiezustände in ultrakalten Gasen realisiert werden.“
TUK / JOL