04.11.2015

Weiche Gläser aus dem E-Feld

Elektrische Felder senken die für ein Verformen nötigen Temperaturen.

Pressen, ziehen, blasen – mit vielen Methoden wird Glas heute in großen Mengen in die jeweils gewünschte Form gebracht. Je nach Zusammen­setzung muss das Glas dazu in einem Ofen auf Temperaturen von über fünfhundert Grad zum Schmelzen gebracht werden. Doch mit einem elektrischen Feld reichen schon deutlich geringere Ofen­temperaturen aus, um das Glas aufzuweichen. Ein US- amerikanisches Forscher­team hat diesen Prozess nun genauer untersucht. Die Ergebnisse der Forscher könnten helfen, den Energie­bedarf in der Glas­produktion zu senken und einfacher winzige Strukturen in Gläser zu bannen.

Abb.: Schematischer Aufbau des Presszellen-Experiments, um den Einfluss von elektrischen Felder und Hitze auf die Viskosität von Gläsern zu ermitteln. (Bild: H. Jain, Lehigh U.)

Die Wissenschaftler analysierten detailliert die Viskosität von verschiedenen Silikat­gläsern in Abhängigkeit von der Ofen­temperatur und dem angelegten elektrischen Gleich­spannungs­feld. Kleine, nur ein Zentimeter hohe Glas­proben bestrichen sie an beiden Enden mit einer Rußpaste und legten Grafit-Elektroden an. Die Gläser spannten sie in eine mechanische Presszelle und übten einen konstanten Druck von zehn Megapascal aus. Während des Aufheizens ermittelten sie die Abnahme der Viskosität. Parallel analysierten sie die auftretenden Strom- und Spannungs­änderungen.

Mit einer konstanten Rate von zehn Grad pro Minute heizten die Forscher ihre Proben kontinuierlich auf. Ohne elektrisches Feld weichten die Gläser wie erwartet in der Nähe der jeweiligen Glasübergangs­temperatur von 418 bis 475 Grad Celsius auf. Wirkten jedoch elektrische Felder von bis zu 125 Volt pro Zentimeter, nahm die Viskosität nach und nach schon bei bis zu dreißig Grad geringeren Temperaturen deutlich ab. Bei höheren Feldstärken von bis zu 250 V/cm weichten die Gläser nicht mehr graduell, sondern fast schlagartig innerhalb weniger Sekunden auf. Zudem beobachteten die Forscher an der Anode eine Licht­emission, die sie teils mit der Rekombination von Elektron-Loch-Paaren im Glas erklärten. Das breite Wellen­längen­spektrum des Lichts hatte seine Ursache in der Brems­strahlung, die von Elektronen erzeugt wurde, die im Coulomb-Feld der Atome abgebremst wurden.

Das von elektrischen Felder induzierte Aufweichen ließ sich jedoch nicht allein mit der Jouleschen Wärme erklären, die auf dem elektrischen Widerstand der Gläser unter Normal­bedingungen beruht. Die Forscher gehen davon aus, dass sich durch die angelegte Spannung zusätzlich eine dünne Verarmungs­zone für Alkali-Ionen in der Nähe der Anode bildete. Wegen des dadurch ansteigenden Widerstands konnte sich dieser Bereich stärker aufheizen und die Glasprobe sogar partiell verdampfen. Auch die Ursache für die Licht­emission sehen die Forscher in dieser Verarmungs­zone.

Die Experimente zeigen, dass sich mit elektrischen Feldern Silikat­gläser schon bei Temperaturen deutlich unter der Glasübergangs­temperatur aufweichen lassen. Glaswerke könnten dadurch in Zukunft mit niedrigeren Ofen­temperaturen arbeiten. Die Forscher sehen aber auch einen Nutzen für die Fertigung winziger Glas­strukturen, da dank genau kontrollierbarer Spannungs­felder Gläser partiell gezielter verformbar werden als durch ein Aufheizen eines kompletten Werkstücks im Ofen.

Jan Oliver Löfken

RK

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