Weiche Gläser aus dem E-Feld
Elektrische Felder senken die für ein Verformen nötigen Temperaturen.
Pressen, ziehen, blasen – mit vielen Methoden wird Glas heute in großen Mengen in die jeweils gewünschte Form gebracht. Je nach Zusammensetzung muss das Glas dazu in einem Ofen auf Temperaturen von über fünfhundert Grad zum Schmelzen gebracht werden. Doch mit einem elektrischen Feld reichen schon deutlich geringere Ofentemperaturen aus, um das Glas aufzuweichen. Ein US- amerikanisches Forscherteam hat diesen Prozess nun genauer untersucht. Die Ergebnisse der Forscher könnten helfen, den Energiebedarf in der Glasproduktion zu senken und einfacher winzige Strukturen in Gläser zu bannen.
Abb.: Schematischer Aufbau des Presszellen-Experiments, um den Einfluss von elektrischen Felder und Hitze auf die Viskosität von Gläsern zu ermitteln. (Bild: H. Jain, Lehigh U.)
Die Wissenschaftler analysierten detailliert die Viskosität von verschiedenen Silikatgläsern in Abhängigkeit von der Ofentemperatur und dem angelegten elektrischen Gleichspannungsfeld. Kleine, nur ein Zentimeter hohe Glasproben bestrichen sie an beiden Enden mit einer Rußpaste und legten Grafit-Elektroden an. Die Gläser spannten sie in eine mechanische Presszelle und übten einen konstanten Druck von zehn Megapascal aus. Während des Aufheizens ermittelten sie die Abnahme der Viskosität. Parallel analysierten sie die auftretenden Strom- und Spannungsänderungen.
Mit einer konstanten Rate von zehn Grad pro Minute heizten die Forscher ihre Proben kontinuierlich auf. Ohne elektrisches Feld weichten die Gläser wie erwartet in der Nähe der jeweiligen Glasübergangstemperatur von 418 bis 475 Grad Celsius auf. Wirkten jedoch elektrische Felder von bis zu 125 Volt pro Zentimeter, nahm die Viskosität nach und nach schon bei bis zu dreißig Grad geringeren Temperaturen deutlich ab. Bei höheren Feldstärken von bis zu 250 V/cm weichten die Gläser nicht mehr graduell, sondern fast schlagartig innerhalb weniger Sekunden auf. Zudem beobachteten die Forscher an der Anode eine Lichtemission, die sie teils mit der Rekombination von Elektron-Loch-Paaren im Glas erklärten. Das breite Wellenlängenspektrum des Lichts hatte seine Ursache in der Bremsstrahlung, die von Elektronen erzeugt wurde, die im Coulomb-Feld der Atome abgebremst wurden.
Das von elektrischen Felder induzierte Aufweichen ließ sich jedoch nicht allein mit der Jouleschen Wärme erklären, die auf dem elektrischen Widerstand der Gläser unter Normalbedingungen beruht. Die Forscher gehen davon aus, dass sich durch die angelegte Spannung zusätzlich eine dünne Verarmungszone für Alkali-Ionen in der Nähe der Anode bildete. Wegen des dadurch ansteigenden Widerstands konnte sich dieser Bereich stärker aufheizen und die Glasprobe sogar partiell verdampfen. Auch die Ursache für die Lichtemission sehen die Forscher in dieser Verarmungszone.
Die Experimente zeigen, dass sich mit elektrischen Feldern Silikatgläser schon bei Temperaturen deutlich unter der Glasübergangstemperatur aufweichen lassen. Glaswerke könnten dadurch in Zukunft mit niedrigeren Ofentemperaturen arbeiten. Die Forscher sehen aber auch einen Nutzen für die Fertigung winziger Glasstrukturen, da dank genau kontrollierbarer Spannungsfelder Gläser partiell gezielter verformbar werden als durch ein Aufheizen eines kompletten Werkstücks im Ofen.
Jan Oliver Löfken
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RK