Weiche Roboter aus einem Guss
Ein einziges Material gibt weichen Robotern ihre Form und sorgt gleichzeitig für ihren Antrieb.
Die Entwicklung weicher Roboter schreitet zügig voran. Im Vergleich zu ihren herkömmlichen, aus Metallteilen zusammengebauten Pendants, weisen sie einzigartige Eigenschaften auf, die sie für eine Vielzahl neuer Anwendungen empfehlen. So sind sie in der Regel flexibler und können ihr Potenzial überall dort entfalten, wo der Bewegungsspielraum gering oder das Terrain unübersichtlich ist. Sie zwängen sich durch enge Spalten und gelangen an Orte, die sowohl für Menschen als auch für starres Gerät unzugänglich sind. Und eines Tages werden sie vielleicht sogar im Inneren unserer Körper ihre Arbeit verrichten.
Abb.: Der weiche Roboter besteht aus nur einem einzigen Stück Polymerfolie. Zunächst wird sie per Falten in Form gebracht, dann werden durch lokale Bestrahlung die aktiven Regionen eingefügt, die unter thermischer Anregung die Flügel bewegen. (Bild: B. Jin et al., Sci. Adv.)
Genau wie herkömmliche Roboter müssen aber auch sie aus mehreren - wenn auch weichen - Komponenten zusammengebaut werden. Ein Umstand, den eine chinesische Forschergruppe an der Universität Zhejiang so nicht länger hinnehmen will. Sie verfolgen die Vision eines Roboters, der aus nur einem einzigen Stück besteht und dennoch unterschiedliche Funktionen erfüllt. Mit der Entwicklung eines Polymers, das einem Roboter sowohl seine Form verleiht als auch für seinen Antrieb sorgt, sind die Forscher ihrem Ziel nun einen Schritt nähergekommen.
Zum einen lässt sich aus einem Blatt des neuen Materials wie beim Origami eine Figur falten. Im aktuellen Fall handelt es sich um einen Kranich, der durch eine anschließende Wärmebehandlung stabilisiert wird. Zum anderen lässt sich das Material durch Bestrahlung so modifizieren, dass es lokal andere Eigenschaften bekommt und sich die so behandelten Bereiche unter Temperaturschwankungen ausdehnen beziehungsweise zusammenziehen. Das ermöglicht es dem Origami-Kranich, mit seinen Flügeln zu schlagen.
An der Universität Zhejiang beschäftigt man sich bereits seit Längerem mit Soft Robotics. So haben die Forscher dort schon 2014 einen elektronischen Fisch vorgestellt, der durch sanfte Bewegungen seiner Flossen angetrieben wurde. Die Flossen bestanden aus einem über einen Rahmen gespannten Silikonfilm. Als Antrieb beziehungsweise „Muskel“ diente ein dielektrisches Polymer, das sich beim Anlegen einer elektrischen Spannung verbiegt. Stromversorgung und Steuerung erfolgten über herkömmliche elektronische Komponenten, die der Roboter mit sich führte und so beim Schwimmen eine Effizienz erreichte, die vergleichbar war mit einer echten Forelle.
Trotz dieses vielversprechenden Ergebnisses störten sich die Forscher der aktuellen Studie am komplizierten Aufbau des künstlichen Fisches, der aus vielen unterschiedlichen Komponenten zusammengebaut werden musste. Auch wenn ihre nun präsentierten, aus einem einzigen Stück Polymerfolie bestehenden Roboter noch eine deutlich geringere Funktionalität aufweisen, halten sie ihren Ansatz doch für richtungsweisend und glauben, dass sich das neue Konzept auf unterschiedlichsten Ebenen durchsetzen könnte.
Die neu entwickelte Polyurethanfolie hat zwei wichtige Eigenschaften. Zum einen lässt sie sich beliebig verformen oder falten und behält die neue Form, wenn man die induzierten Verspannungen bei einer Temperatur von 140 Grad Celsius ausheilt. Zum anderen kann man ihr lokal eine Art Formgedächtnis verleihen. Dazu wird die Folie zunächst bei 80 Grad Celsius gedehnt und dann unter Aufrechterhaltung der Dehnung mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Die Bestrahlung fixiert die durch die Dehnung ausgerichteten Polymerketten teilweise auch dann noch, wenn keine dehnende Kraft mehr wirkt. Aufgrund dieser teilweisen Ausrichtung weist die Folie an den bestrahlten Stellen nun ein reversibles Formgedächtnis auf: Bei einer Temperatur von null Grad Celsius dehnt sie sich aus, wird sie dagegen auf 80 Grad Celsius erhitzt, zieht sie sich wieder zusammen.
Da der so entstandene, reversible Antrieb seinen Ursprung in der Kristallisation und dem Schmelzen eines anisotropen Netzwerks hat, hängt die maximal erreichbare Deformation von der ursprünglichen Dehnung vor der Bestrahlung ab und erreicht unter optimalen Bedingungen ein Maximum von vierzig Prozent. Sie bleibt unter mehrfachen, zyklischen Anregungen durch Temperaturschwankungen zwischen null und 80 Grad Celsius erhalten und zeigt auch nach über einem Monat Lagerung keine Verschlechterung. Neben einfachen, linearen Dehnungen lassen sich mit der neuen Methode auch komplexere Verformungen wie Biegen oder Verdrehen realisieren.
Um mögliche Anwendungen für ihr neues Konzept anzudeuten, zeigen die Forscher einen Kranich, der mit den Flügeln schlägt. Dazu haben sie zunächst aus einem flachen Stück Folie eine einfache Kranichfigur gefaltet und die Form anschließend bei 140 Grad Celsius stabilisiert. Anschließend haben sie den Ansatz der Flügel lokal und unter Dehnung bestrahlt und so die nötigen Aktuatoren in das Material integriert. Da die Aktivierung über die Umgebungstemperatur erfolgt, bewegen sich die Flügel nur sehr langsam. Den Forschern zufolge wäre es aber denkbar, das Material so zu modifizieren, dass es über Induktion oder Bestrahlung thermisch angeregt werden kann.
Thomas Brandstetter
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