Weit reichende Quantenkommunikation auch bei Tage
Ungestörter Austausch von Quantenschlüsseln über 53 Kilometer.
Ein weltumspannendes Quantenkommunikationsnetz aus zahlreichen künstlichen Satelliten und Bodenstationen, das paarweise verschränkte Photonen über interkontinentale Entfernungen hinweg verteilt, klingt noch wie Science-Fiction. Doch viele Experimente zeigen die prinzipielle Machbarkeit eines solchen Netzes, das weltweit kryptographische Schlüssel abhörsicher weitergeben oder Quantenzustände teleportieren könnte. Mehreren Forschergruppen ist es inzwischen gelungen, einzelne Photonen zwischen weit entfernten irdischen Stationen oder sogar mit Satelliten in der Erdumlaufbahn auszutauschen. Dabei würde das von der Sonne kommende Streulicht den Empfang der Signalphotonen erheblich stören, sodass diese Experiment fast alle in der Nacht durchgeführt wurden.
Abb.: Aufbau des wegweisenden Experiments der Quantenkommunikation bei Tageslicht 53 Kilometer über den Qinghai-See hinweg. (Bild: W. Yan et al., NPG)
Doch jetzt haben Forscher um Jian-Wei Pan von der Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik in Shanghai die störende Wirkung des gestreuten Sonnenlichts erheblich reduziert. So konnten sie bei Tageslicht mit einzelnen polarisierten Photonen über 53 Kilometer Entfernung einen Quantenschlüsselaustausch durchführen. Das Experiment fand zwischen zwei am Qinghai-See gelegenen Orten in Westchina statt. Anders als bei früheren Quantenkommunikationsversuchen benutzten die Forscher Photonen mit 1550 nm statt 800 nm Wellenlänge. Das hatte mehrere Vorteile. Bei dieser Wellenlänge ist die Intensität des Sonnenlicht nur ein Fünftel derjenigen bei 800 nm. Zudem wird die Lichtstreuung zwischen der Erde und einem Satelliten oder zwischen zwei Satelliten durch die Rayleigh-Streuung bestimmt, die proportional zu 1/λ4 ist, sodass eine größere Wellenlänge vorteilhaft ist.
Entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Forscher überhaupt eine größere Lichtwellenlänge zur Quantenkommunikation benutzen konnten, war ein von ihnen entwickelter neuartiger Einzelphotonendetektor. Er mischte die eintreffenden Photonen mit Lichtquanten von 1950 nm Wellenlänge und schickte sie durch einen periodisch gepolten Lithiumniobatwellenleiter. Dort entstanden durch optisch nichtlineare Prozesse Photonen mit kürzerer Wellenlänge, die anschließend einen extrem schmalbandigen Lichtfilter passierten und mit einer Silizium-Avalanche-Photodiode nachgewiesen werden konnten.
Auf diese Weise ließ sich die störende Wirkung des gestreuten Sonnenlichts ganz erheblich verringern, sodass die Quantenkommunikation auch am Tage durchgeführt werden konnte. Dazu wurden vom Sender A („Alice“) mit einer Taktfrequenz von 100 MHz extrem lichtschwache Pulse erzeugt, die durchschnittlich weniger als ein Photon enthielten. Die Polarisation dieses Photons wechselt zufällig zwischen vier Einstellungen: H (horizontal), V (vertikal) oder eine der beiden Diagonalrichtungen H+V bzw. H-V.
Die Photonenpulse wurden über eine Glasfaser zu einem Teleskop geleitetet, das sie in einen Raumwinkel von weniger als 10 µrad gezielt abstrahlte. Am gegenüberliegenden Seeufer in 53 km Entfernung stand der Empfänger B („Bob“), der mit einem Teleskop die ankommenden Photonen auffing. Über eine 20 Meter lange Glasfaser wurden sie zu einem Polarisationsanalysator und anschließend zu Photonendetektoren geleitet. Die Quanteninformation wurde nach dem gängigen und schon kommerziell genutzten Protokoll BB84 übertragen, sodass am Ende „Alice“ und „Bob“ sich abhörsicher auf einen Bitstring einigen konnten, der nur ihnen bekannt war und mit dem sie Nachrichten ver- und entschlüsseln konnten.
In einer Zeitspanne von insgesamt 1756 Sekunden konnten Jian-Wei Pan und seine Kollegen auf diese Weise 157179 Bits übertragen. Dabei betrug der gesamte Signalverlust über die 53-km-Distanz 48 dB. Nach Meinung der Forscher zeigt dies, dass ein Quantenkommunikationsnetz mit Satelliten auch bei Sonnenstrahlung möglich ist. Sie weisen darauf hin, dass sie ihr Übertragungsverfahren noch deutlich verbessern können, indem sie supraleitende Einzelphotondetektoren verwenden. Angesichts der harschen Umweltbedingungen am Qinghai-See haben sie aber robustere Siliziumdetektoren vorgezogen.
Rainer Scharf
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