24.07.2017

Weit reichende Quantenkommunikation auch bei Tage

Ungestörter Austausch von Quantenschlüsseln über 53 Kilometer.

Ein welt­umspannendes Quanten­kommunikations­netz aus zahl­reichen künst­lichen Satelliten und Boden­stationen, das paarweise verschränkte Photonen über inter­kontinentale Entfer­nungen hinweg verteilt, klingt noch wie Science-Fiction. Doch viele Experimente zeigen die prinzi­pielle Machbar­keit eines solchen Netzes, das weltweit krypto­graphische Schlüssel abhör­sicher weiter­geben oder Quanten­zustände tele­portieren könnte. Mehreren Forscher­gruppen ist es inzwischen gelungen, einzelne Photonen zwischen weit entfernten irdischen Stationen oder sogar mit Satel­liten in der Erdum­laufbahn auszu­tauschen. Dabei würde das von der Sonne kommende Streulicht den Empfang der Signal­photonen erheblich stören, sodass diese Experiment fast alle in der Nacht durch­geführt wurden.

Abb.: Aufbau des wegweisenden Experiments der Quantenkommunikation bei Tageslicht 53 Kilometer über den Qinghai-See hinweg. (Bild: W. Yan et al., NPG)

Doch jetzt haben Forscher um Jian-Wei Pan von der Chine­sischen Univer­sität für Wissen­schaft und Technik in Shanghai die störende Wirkung des gestreu­ten Sonnen­lichts erheblich reduziert. So konnten sie bei Tageslicht mit einzelnen polari­sierten Photonen über 53 Kilometer Entfernung einen Quanten­schlüssel­austausch durch­führen. Das Experiment fand zwischen zwei am Qinghai-See gelegenen Orten in Westchina statt. Anders als bei früheren Quanten­kommunikations­versuchen benutzten die Forscher Photonen mit 1550 nm statt 800 nm Wellen­länge. Das hatte mehrere Vorteile. Bei dieser Wellen­länge ist die Intensität des Sonnen­licht nur ein Fünftel derjenigen bei 800 nm. Zudem wird die Licht­streuung zwischen der Erde und einem Satel­liten oder zwischen zwei Satel­liten durch die Ray­leigh-Streuung bestimmt, die propor­tional zu 1/λ4 ist, sodass eine größere Wellen­länge vorteilhaft ist.

Ent­scheidende Voraus­setzung dafür, dass die Forscher überhaupt eine größere Lichtwellen­länge zur Quanten­kommunikation benutzen konnten, war ein von ihnen ent­wickelter neuartiger Einzel­photonen­detektor. Er mischte die ein­treffenden Photonen mit Licht­quanten von 1950 nm Wellen­länge und schickte sie durch einen perio­disch gepolten Lithium­niobatwellen­leiter. Dort entstanden durch optisch nicht­lineare Prozesse Photonen mit kürzerer Wellen­länge, die anschließend einen extrem schmal­bandigen Lichtfilter passierten und mit einer Silizium-Avalanche-Photo­diode nachgewiesen werden konnten.

Auf diese Weise ließ sich die störende Wirkung des gestreuten Sonnen­lichts ganz erheblich verringern, sodass die Quanten­kommunikation auch am Tage durch­geführt werden konnte. Dazu wurden vom Sender A („Alice“) mit einer Takt­frequenz von 100 MHz extrem licht­schwache Pulse erzeugt, die durch­schnittlich weniger als ein Photon enthielten. Die Polari­sation dieses Photons wechselt zufällig zwischen vier Ein­stellungen: H (horizontal), V (vertikal) oder eine der beiden Diagonal­richtungen H+V bzw. H-V.

Die Photonen­pulse wurden über eine Glas­faser zu einem Teleskop geleitetet, das sie in einen Raumwinkel von weniger als 10 µrad gezielt abstrahlte. Am gegenüber­liegenden Seeufer in 53 km Entfernung stand der Empfänger B („Bob“), der mit einem Teleskop die ankom­menden Photonen auffing. Über eine 20 Meter lange Glas­faser wurden sie zu einem Polarisations­analysator und anschließend zu Photonen­detektoren gelei­tet. Die Quanten­information wurde nach dem gängigen und schon kommer­ziell genutzten Protokoll BB84 über­tragen, sodass am Ende „Alice“ und „Bob“ sich abhörsicher auf einen Bit­string einigen konnten, der nur ihnen bekannt war und mit dem sie Nach­richten ver- und ent­schlüsseln konnten.

In einer Zeit­spanne von insgesamt 1756 Sekunden konnten Jian-Wei Pan und seine Kollegen auf diese Weise 157179 Bits übertragen. Dabei betrug der gesamte Signal­verlust über die 53-km-Distanz 48 dB. Nach Meinung der Forscher zeigt dies, dass ein Quanten­kommunikations­netz mit Satelliten auch bei Sonnen­strahlung möglich ist. Sie weisen darauf hin, dass sie ihr Übertragungs­verfahren noch deutlich verbessern können, indem sie supra­leitende Einzel­photon­detektoren verwenden. Ange­sichts der harschen Umwelt­bedingungen am Qinghai-See haben sie aber robus­tere Silizium­detektoren vorge­zogen.

Rainer Scharf

JOL

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