Welche Sprache spricht die Wissenschaft?
Das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst initiieren Wettbewerb und Konferenz zu Deutsch als Wissenschaftssprache.
Was ist die Sprache der Physik? Für Galileo Galilei war dies natürlich die Mathematik. Aber auch er würde heute nicht umhin kommen, auf Englisch zu publizieren, um in der Fachwelt Gehör zu finden. Viele physikalische Begriffe wie Flavour, Spin-up oder Raman Imaging sind kaum noch auf Deutsch geläufig und oft nur noch schwer oder umständlich zu übersetzen. Das war nicht immer so: „Auch im internationalen Verkehr der Physiker spielte Deutsch eine Hauptrolle. Amerikaner und Engländer bemühten sich Deutsch wenigstens verstehen zu können“, erinnert sich der niederländische Physiker Hendrik Casimir (1909 – 2000), bekannt für den von ihm entdeckten Casimir-Effekt, an seine Studienzeit in den 1920er-Jahren. Kein Wunder, denn die Entwicklung der Relativitätstheorie und Quantenmechanik ging zunöchst größtenteils aus dem deutschen Sprachgebiet hervor. Daher finden sich auch heute noch Begriffe wie „Gedanken experiment, „Eigen value“ oder „Bremsstrahlung“ in der englischen Fachsprache.
Heute ist Englisch ganz selbstverständlich die „Umgangssprache“ der Wissenschaft, nicht nur in den Publikationen, sondern durchaus auch auf Physik-Tagungen oder im Vorlesungsbetrieb in Deutschland. Über diese Entwicklung wurde bereits kontrovers im (deutschsprachigen) Physik Journal diskutiert, etwa in Bezug auf die Frage, welche Bedeutung der Sprachwandel für die Vermittlung physikalischer Erkenntnisse in der Schule oder die wissenschaftliche Kreativität haben könnte.
Die Frage nach Deutsch als Wissenschaftssprache betrifft nicht nur die Physik, sondern auch zahlreiche andere Disziplinen. Das Goethe-Institut hat deshalb gemeinsam mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) beschlossen, die Werbetrommel für die deutsche Sprache in den Wissenschaften zu rühren. Mithilfe eines Wettbewerbs wollen sie die Bedeutung des Deutschen als Wissenschaftssprache für ein breites Publikum anschaulich zu machen. Gesucht werden Werbesprüche oder Plakatmotive zum Thema „Deutsch in den Wissenschaften“. Einsendeschluss ist der 18. September 2011. Der erste Preis wird auf der gleichnamigen Konferenz am 10. November 2011 in Essen übergeben. Dort geht es unter anderem um Fragen nach der Rolle von Sprachen im Erkenntnisprozess, nach der Art und Weise, wie deutschsprachige Wissenschaft im internationalen Kontext wahrgenommen wird oder wie sich Mehrsprachigkeit sinnvoll in Forschung und Lehre umsetzen lässt.
Hendrik Casimir betonte schon 1991, dass es erwünscht sei, dass ein deutscher Physiker Englisch auch aktiv einigermaßen beherrschen sollte. Dies bedeute jedoch keinesfalls, auf Deutsch als Wissenschaftssprache verzichten zu müssen. „Man denkt, was man formulieren kann, und formulieren tut man am besten in der Muttersprache“, so Casimir.
Anja Hauck und Alexander Pawlak