Weltraumwetter: Magnetische Explosionen bei der Venus
Raumsonde entdeckt sporadische Umkehrung des Sonnenwinds in der Umgebung des Planeten – Phänomen saugt vermutlich Teil der Atmosphäre ins All.
Es gibt sie bei der Erde, beim Saturn und vermutlich auch beim Mars. Und nun hat ein internationales Forscherteam sie auch bei der Venus entdeckt: „hot flow anomalies“, gewaltige magnetische Explosionen, die in der Umgebung des Planeten zeitweilig zu einer Umkehrung des Sonnenwindes führen. Da die Venus im Gegensatz zur Erde keine schützende Magnetosphäre besitzt, sind die Folgen dieser Ereignisse dort vermutlich dramatischer – die Forscher vermuten, dass durch die Umkehrung des Sonnenwinds ein Unterdruck entsteht, der einen Teil der Atmosphäre hochsaugt.
Abb.: Wenn sich Diskontinuitäten im Sonnenwind durch die Stoßwelle (bow shock) hindurchbewegen, können sie heiße Plasma-Teilchen sammeln, die dann zu einer hot flow anomaly führen. Bei der Venus finden diese Explosionen so nah an dem Planeten statt, dass sie vermutlich einen Teil der Atmosphäre heraufsaugen. (Bild: Nasa/Collinson)
Hot flow anomalies (HFAs), entstehen durch Störungen im Sonnenwind. Es bilden sich Regionen, in denen das magnetische Feld abrupt seine Richtung wechselt. Trifft der Sonnenwind auf die Magnetosphäre eines Planeten – oder, im Fall der Venus, auf die Ionosphäre –, so bildet sich eine Stoßwelle, der so genannte „bow shock“. In dieser Zone wird der Sonnenwind stark abgebremst und um den Planeten herum gelenkt. Mitunter richtet sich das Magnetfeld im Bereich von Störungen parallel zur Strömung des Sonnenwinds aus und reist so durch die Stoßwelle hindurch.
In diesem Fall können die magnetischen Diskontinuitäten eine große Menge heißen Plasmas aus dem Sonnenwind einfangen. Das eingefangene Plasma bildet eine ständig anwachsende Blase, die so groß wie der Planet selbst werden kann. „Die Plasma-Blase wird immer größer und sendet ihre eigenen Stoßwellen aus“, sagt David Sibeck vom Goddard Space Flight Center der Nasa, ein an der Entdeckung beteiligter Forscher. Diese Eruptionen sind dramatische Ereignisse: Bei der Erde können sie dazu führen, dass die gesamte Magnetosphäre zusammengestaucht wird.
Die Explosionen können außerdem einen Strom solarer Teilchen entlang der Feldlinien des Erdmagnetfelds an den Polen in die Atmosphäre lenken und so zu intensiven Polarlichtern führen. „Und die Anomalien setzen so viel Energie frei, dass sie den Sonnenwind stoppen und sogar umkehren können“, sagt Sibeck. „Dafür ist eine große Menge Energie nötig, wenn man bedenkt, dass sich der Sonnenwind mit Überschallgeschwindigkeit bewegt.“
Sibeck und seine Kollegen haben die magnetische Anomalie in Daten der Sonde Venus Express von 22. März 2008 entdeckt. Venus Express ist eigentlich nicht darauf ausgerichtet, das Weltraumwetter um die Venus zu beobachten. Aber die Sensoren der Sonde messen das Magnetfeld und elektrisch geladene Teilchen in ihrer Umgebung – so konnten sie die charakteristischen Änderungen registrieren, die mit einer HFA einhergehen.
Wie sich diese magnetischen Explosionen auf die Venus auswirken, zeigen die Instrumente der Sonde allerdings nicht. Sibeck und seine Kollegen vermuten jedoch, dass durch die vom Planeten weg strömende Materie ein Sog entsteht, der einen Teil der äußeren Atmosphäre des Planeten mit sich zieht. Es würde also zu einer deutlichen Ausbeulung der Ionosphäre nach außen kommen. Die Erde ist vor solchen Auswirkungen auf die Atmosphäre durch ihre Magnetosphäre geschützt – die HFAs finden dadurch in größerer Entfernung von dem Planeten statt.
Rainer Kayser
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PH