Weltrekord: Elektronen mit wenig Tiefgang erzeugen hohe Kielwelle
Länge zukünftiger Plasmabeschleuniger um mehr als die Hälfte verringerbar.
Forscher bei DESY haben einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Nutzung neuartiger Plasmabeschleuniger getan. Mit dem Elektronenstrahl des Forschungsbeschleunigers PITZ, dem Photoinjektor-Teststand am DESY-Standort Zeuthen, gelang der Gruppe um DESY-Physiker Frank Stephan im Rahmen der LAOLA-Kooperation die Beschleunigung von Elektronen in Plasmawellen mit einem besonders hohen Verhältnis zwischen Beschleunigung des Nutzstrahls und Abbremsung des Treiberstrahls. Dieses sogenannte Transformationsverhältnis bestimmt den möglichen Energiegewinn in einem solchen Plasmabeschleuniger. Ihre Ergebnisse stellen die Forscher nun in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ vor.
Abb.: Die bei den Messungen verwendete Plasmazelle. Das Glasrohr ist etwa zehn Zentimeter lang, von denen sieben sichtbar sind. (Bild: DESY, Gregor Loisch)
Die Plasmabeschleunigung ist eine neue Beschleunigertechnologie, die ausnutzt, dass in Plasmen sehr hohe elektrische Feldstärken erreichbar sind, bis zu 1000-mal höher als in konventionellen Beschleunigern. In der sogenannten Plasma-Wakefield-Beschleunigung wird in ein ionisiertes Gas (Plasma) ein Tandem von zwei Elektronenpaketen eingeschossen: Das erste hochenergetische Treiber-Elektronenpaket erzeugt im Plasma eine Welle. Etwa fünf Pikosekunden (millionstel millionstel Sekunden) später werden die Nutz-Elektronen eingeschossen, die dann ähnlich einem Wellenreiter beschleunigt werden, der auf der Kielwelle eines Schiffs surft.
Die Elektronen, die die Plasmawelle erzeugen, werden während des Vorgangs abgebremst und dienen so als Energiequelle für die Beschleunigung. Das Verhältnis zwischen Beschleunigung des einen und Abbremsung des anderen Pakets nennt man Transformationsverhältnis. Bildlich entspricht ein hohes Transformationsverhältnis einem Schiff, das zwar möglichst leicht durch das Wasser gleitet, gleichzeitig aber eine hohe Kielwelle erzeugt. Für Elektronenstrahlen, die bislang bei Experimenten zur Plasmabeschleunigung verwendet wurden, ist dieses Transformationsverhältnis bei 2 begrenzt. Die jetzt bei PITZ durchgeführten Experimente hatten das Ziel, diese Grenze zu durchbrechen. Dies wurde nun mit speziell geformten Elektronenpaketen erreicht, die bei PITZ erzeugt werden können. Mit Hilfe der flexiblen Photokathodenlaser der Anlage konnten die Wissenschaftler erstmals Treiber-Elektronenpakete mit einem asymmetrischen, dreieckförmigen Stromverlauf verwenden. Durch diese entscheidende Verbesserung erreichten sie ein Transformationsverhältnis von 4,6, was weit über dem bisheriger Versuche liegt.
Abb.: Die Simulation des Beschleunigungsvorgangs im Plasma zeigt die Elektronen des Treiberstrahls (rot), die Elektronen des Nutzstrahls (grün) sowie die Beschleunigungsfelder (farbige Fläche). (Bild: DESY, Gregor Loisch)
„Die Anwendung unserer Technik könnte die Länge eines zukünftigen Plasmabeschleunigers um mehr als die Hälfte verringern“, erklärt Gregor Loisch, Hauptautor der Studie. „Nachdem wir jetzt wissen, dass höhere Transformationsverhältnisse grundsätzlich möglich sind, werden wir unsere Methoden weiter verfeinern, um sie bei höheren Beschleunigungsfeldern anzuwenden.“
Insbesondere die hohen möglichen Beschleunigungsfeldstärken, die weit über den Möglichkeiten der heute verwendeten, metallischen Beschleunigerstrukturen liegen, machen Plasmabeschleuniger zu einer der vielversprechendsten Techniken für neuartige Teilchenbeschleuniger. Eine Erhöhung der Beschleunigungsfeldstärke bedeutet, dass die Länge des Beschleunigers bei gleicher Endenergie entsprechend verringert werden kann. Dies kann immense Kostenersparnis beim Bau und Betrieb einer solchen Anlage bedeuten.
Die bei PITZ durchgeführten Messungen könnten nun dazu beitragen, auch die Energie des benötigten, konventionellen Vorbeschleunigers zu reduzieren und damit die Kosten von Bau und Betrieb weiter zu senken.
Nur wenige Beschleuniger weltweit verfügen bisher über die technischen Möglichkeiten, die zur Erzeugung der für diese Experimente benötigten flexiblen Elektronenstrahlen erforderlich sind. Die als Forschungsbeschleuniger betriebene Anlage PITZ verfügt außerdem über vielfältige Diagnostikmöglichkeiten, um die Elektronenstrahlen sehr genau zu vermessen, sowie über die nötige Betriebszeit für Experimente der Beschleunigerforschung.
In weiterführenden Studien wollen sich die Forscher zusätzlich zur weiteren Erhöhung der bisher moderaten Beschleunigungsfeldstärken von ca. 3,6 Mega-Volt pro Meter (MV/m) auch mit dem Ausbau der Strahlformungsmöglichkeiten bei PITZ beschäftigen.
DESY / LK