20.08.2018

Weltrekord: Elektronen mit wenig Tiefgang erzeugen hohe Kielwelle

Länge zukünftiger Plasmabeschleuniger um mehr als die Hälfte verringerbar.

Forscher bei DESY haben einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Nutzung neuartiger Plasma­be­schleu­niger getan. Mit dem Elek­tronen­strahl des Forschungs­beschleu­nigers PITZ, dem Photoinjektor-Test­stand am DESY-Stand­ort Zeuthen, gelang der Gruppe um DESY-Physiker Frank Stephan im Rahmen der LAOLA-Ko­oper­ation die Beschleu­nigung von Elektronen in Plasma­wellen mit einem besonders hohen Verhältnis zwischen Beschleu­nigung des Nutz­strahls und Ab­brem­sung des Treiber­strahls. Dieses sogenannte Trans­for­mations­verhält­nis bestimmt den möglichen Energiegewinn in einem solchen Plasma­beschleuniger. Ihre Ergeb­nisse stellen die Forscher nun in der Fachzeit­schrift „Physical Review Letters“ vor.

Abb.: Die bei den Messungen verwen­dete Plasma­zelle. Das Glas­rohr ist etwa zehn Zenti­meter lang, von denen sieben sicht­bar sind. (Bild: DESY, Gregor Loisch)

Die Plasma­beschleu­nigung ist eine neue Beschleuniger­technologie, die ausnutzt, dass in Plasmen sehr hohe elektrische Feld­stärken erreichbar sind, bis zu 1000-mal höher als in konven­tionellen Beschleu­nigern. In der soge­nannten Plasma-Wakefield-Beschleu­nigung wird in ein ionisiertes Gas (Plasma) ein Tandem von zwei Elektronen­paketen einge­schossen: Das erste hoch­energe­tische Treiber-Elektronen­paket erzeugt im Plasma eine Welle. Etwa fünf Piko­sekunden (millionstel millionstel Sekunden) später werden die Nutz-Elektronen einge­schossen, die dann ähnlich einem Wellen­reiter beschleunigt werden, der auf der Kiel­welle eines Schiffs surft.

Die Elektronen, die die Plasma­welle erzeugen, werden während des Vorgangs abge­bremst und dienen so als Energie­quelle für die Beschleu­nigung. Das Verhält­nis zwischen Beschleu­nigung des einen und Ab­brem­sung des anderen Pakets nennt man Trans­formations­verhältnis. Bildlich entspricht ein hohes Trans­formations­verhältnis einem Schiff, das zwar möglichst leicht durch das Wasser gleitet, gleichzeitig aber eine hohe Kiel­welle erzeugt. Für Elektronen­strahlen, die bislang bei Experi­menten zur Plasma­beschleu­nigung verwendet wurden, ist dieses Trans­formations­verhältnis bei 2 begrenzt. Die jetzt bei PITZ durchgeführten Experi­mente hatten das Ziel, diese Grenze zu durchbrechen. Dies wurde nun mit speziell geformten Elek­tronen­paketen erreicht, die bei PITZ erzeugt werden können. Mit Hilfe der flexiblen Photo­kathoden­laser der Anlage konnten die Wissen­schaftler erstmals Treiber-Elektronen­pakete mit einem asym­metrischen, dreieck­förmigen Strom­verlauf verwenden. Durch diese entscheidende Verbes­serung erreichten sie ein Trans­formations­verhältnis von 4,6, was weit über dem bisheriger Versuche liegt.

Abb.: Die Simulation des Beschleunigungs­vorgangs im Plasma zeigt die Elektronen des Treiber­strahls (rot), die Elektronen des Nutz­strahls (grün) sowie die Beschleunigungs­felder (farbige Fläche). (Bild: DESY, Gregor Loisch)

„Die Anwendung unserer Technik könnte die Länge eines zukünftigen Plasma­beschleu­nigers um mehr als die Hälfte verringern“, erklärt Gregor Loisch, Haupt­autor der Studie. „Nachdem wir jetzt wissen, dass höhere Trans­formations­verhältnisse grund­sätzlich möglich sind, werden wir unsere Methoden weiter verfeinern, um sie bei höheren Beschleu­nigungs­feldern anzuwenden.“

Insbesondere die hohen möglichen Be­schleu­nigungs­feld­stärken, die weit über den Möglich­keiten der heute verwendeten, metallischen Be­schleu­niger­strukturen liegen, machen Plasma­beschleuniger zu einer der viel­ver­sprechend­sten Techniken für neuartige Teilchen­beschleuniger. Eine Erhöhung der Beschleu­nigungs­feldstärke bedeutet, dass die Länge des Beschleu­nigers bei gleicher End­energie entsprechend verringert werden kann. Dies kann immense Kosten­ersparnis beim Bau und Betrieb einer solchen Anlage bedeuten.
Die bei PITZ durchgeführten Messungen könnten nun dazu beitragen, auch die Energie des benötigten, kon­ventio­nellen Vor­beschleu­nigers zu reduzieren und damit die Kosten von Bau und Betrieb weiter zu senken.

Nur wenige Beschleu­niger weltweit verfügen bisher über die tech­nischen Möglich­keiten, die zur Erzeugung der für diese Experi­mente benötigten flexiblen Elektronen­strahlen erforderlich sind. Die als Forschungs­beschleuniger betriebene Anlage PITZ verfügt außerdem über vielfältige Diagnostik­möglichkeiten, um die Elektronen­strahlen sehr genau zu ver­mes­sen, sowie über die nötige Betriebs­zeit für Experi­mente der Beschleu­niger­forschung.

In weiter­führenden Studien wollen sich die Forscher zusätzlich zur weiteren Erhöhung der bisher moderaten Be­schleun­igungs­feldstärken von ca. 3,6 Mega-Volt pro Meter (MV/m) auch mit dem Ausbau der Strahl­formungs­möglichkeiten bei PITZ beschäftigen.

DESY / LK

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