Weltrekord im Dauersurfen der Elektronen
Plasmabeschleuniger LUX auf dem Weg zum Regelbetrieb.
Der Teilchenbeschleuniger der Zukunft hat einen wichtigen Meilenstein genommen: Erstmals weltweit gelang es einem Forscherteam, einen Plasmabeschleuniger länger als einen Tag zu betreiben und dabei kontinuierlich Elektronenstrahlen zu produzieren. Die Anlage LUX, gemeinsam entwickelt und betrieben von DESY und der Universität Hamburg, erreichte eine Betriebsdauer von 30 Stunden. „Damit sind wir dem Regelbetrieb dieser innovativen Teilchenbeschleunigertechnik ein gutes Stück nähergekommen“, sagt Teamleiter Andreas R. Maier von DESY. „Die Zeit ist reif, um die Laser-Plasmabeschleunigung aus dem Labor zur Anwendung zu führen“, ergänzt der Direktor des DESY-Beschleunigerbereichs, Wim Leemans.
Von der Technik der Plasmabeschleunigung versprechen sich Physiker eine neue Generation kompakter, leistungsfähiger Teilchenbeschleuniger mit einzigartigen Eigenschaften für verschiedene Anwendungen. Bei dieser Methode erzeugt ein Laser oder ein energiereicher Teilchenstrahl eine Plasmawelle in einer feinen Kapillare. Als Plasma wird ein Gas bezeichnet, bei dem die Gasmoleküle von ihren Elektronen getrennt wurden. LUX verwendet Wasserstoffgas.
„Die Laserpulse pflügen als schmale Scheiben durch das Gas und entreißen den Wasserstoffmolekülen ihre Elektronen, die wie von einem Schneepflug zur Seite gefegt werden“, beschreibt Maier, der DESY-Gruppenleiter im Bereich Beschleuniger ist und am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) arbeitet, einer Gemeinschaftseinrichtung von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. „Elektronen im Kielwasser des Blitzes werden von der elektrisch positiv geladenen Plasmawelle vor ihnen beschleunigt – ähnlich wie ein Wakeboard-Surfer in der Heckwelle eines Schiffs.“
Plasmabeschleuniger können auf diese Weise eine bis zu tausendfach höhere Beschleunigung erreichen als die stärksten Maschinen, die heute im Einsatz sind. Damit können kompaktere und stärkere Anlagen mit einem breiten Einsatzspektrum von der Grundlagenforschung bis zur Medizin möglich werden. Eine Reihe technischer Herausforderungen gibt es vor einer Anwendung noch zu meistern. „Auch diese Herausforderungen können wir dank des langen und stabilen Betriebs unserer Anlagen jetzt besser angehen“, erläutert Maier.
Die Physiker haben während ihres Rekordbetriebs mehr als 100 000 Elektronenpakete beschleunigt, jede Sekunde eines. Mit dieser großen Zahl lassen sich die Eigenschaften des Beschleunigers, des Lasers und der Teilchenpakete miteinander in Verbindung setzen und sehr viel genauer auswerten. „Unerwünschte Variationen im Elektronenstrahl lassen sich beispielsweise auf konkrete Punkte im Laserpuls zurückführen, so dass wir jetzt genau wissen, an welcher Stelle wir ansetzen müssen, um einen noch besseren Teilchenstrahl zu bekommen“, sagt Maier. „Dieser Ansatz legt die Grundlage für eine aktive Stabilisierung der Strahlen, so wie sie an allen modernen Beschleunigern weltweit eingesetzt wird“, erläutert Leemans.
Grundlage für den Erfolg ist laut Maier die Verknüpfung von zwei Feldern: die Expertise in der Plasmabeschleunigung mit dem Know-how für einen stabilen Beschleunigerbetrieb. „Beides ist bei DESY in weltweit einzigartiger Weise vorhanden“, betont Maier. Zu dem stabilen Langzeitbetrieb haben demnach zahlreiche Faktoren beigetragen, von der Vakuumtechnik über Laserexpertise bis hin zu einem umfangreichen und ausgeklügelten Kontrollsystem. „Im Prinzip wäre unsere Anlage auch noch länger gelaufen, wir haben den Betrieb nach 30 Stunden abgebrochen“, berichtet Maier. „Und inzwischen haben wir das noch dreimal wiederholt.“
„Diese Arbeit zeigt, dass Laser-Plasmabeschleuniger eine reproduzierbare und kontrollierbare Leistung bieten können. Das liefert eine konkrete Grundlage für die Weiterentwicklung dieser Technologie zu künftigen beschleunigerbasierten Lichtquellen bei DESY und anderswo“, fasst Leemans zusammen.
An der Arbeit waren Forscher der Universität Hamburg, des europäischen ELI-Beamlines-Projekts, der Max Planck Research School for Ultrafast Imaging & Structural Dynamics (IMPRS-UFAST) und von DESY beteiligt.
DESY / LK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. R. Maier et al.: Decoding sources of energy variability in a laser-plasma accelerator, Physical Review X 10 (2020) 031039; DOI: 10.1103/PhysRevX.10.031039 - Laser-Plasma Driven Light Sources, Center for Free-Electron Laser Science Department of Physics University of Hamburg
- ELI (Extreme Light Infrastructure) Beamlines