Weltrekord in 3D-Bildgebung eines Sandsteins
Physik poröser Materialien kommt durch die gesteigerte Auflösung bei der systematischen Untersuchung äußerst komplexer Mikrostrukturen entscheidend voran.
Abb.: Ausschnitte der Rekonstruktion mit Auflösungen (v. o. n. u.) 29 µm, 15 µm, 7,3 µm, 916 nm (Bild: R. Hilfer et al., U. Stuttgart)
Im Rahmen eines Projekts des Exzellenzclusters Simulation Technology haben Physiker um Rudolf Hilfer vom Institut für Computerphysik an der Universität Stuttgart das bisher größte und genaueste dreidimensionale Bild von der Porenstruktur eines Sandsteins erstellt. Es ist mehr als 35 Billionen Voxel – also 3D-Bildpunkte – groß und erlaubt es, die Wechselbeziehung zwischen Mikrostrukturen poröser Gesteine und deren physikalischen Eigenschaften besser zu verstehen. Poröse Gesteine spielen beispielsweise bei der Erdölförderung, der Kohlendioxidverpressung oder der Grundwasserversorgung eine entscheidende Rolle.
Auf den dreidimensionalen Bildern am ICP ist die poröse Mikrostruktur eines Fontainebleau-Sandsteinwürfels mit der Kantenlänge von 1,5 Zentimetern systematisch über drei Dekaden vom Submillimeterbereich bis in den Nanometerbereich aufgelöst und digital abgebildet. Das größte dreidimensionale Bild, das die Stuttgarter Physiker von der Mikrostruktur des Sandsteins erstellt haben, umfasst 32.768 hoch drei Bildpunkte, also insgesamt 35.184.372.088.832 Voxel.
Zum Vergleich: Klinische Ganzkörperaufnahmen eines Menschen, zum Beispiel Magnetresonanztomographiebilder, enthalten zirka 720 Millionen Voxel. Selbst dreidimensionale Bilder in technischen und wissenschaftlichen Studien bestehen derzeit lediglich aus bis zu 20 Milliarden Voxel. In Digitalphotos mit zehn Megapixeln ausgedrückt, entspricht die Ganzkörperaufnahme einem Stapel von 72 Digitalphotos entsprechen, bei dem größten dreidimensionale Bild am ICP etwa 35 Millionen Digitalphotos.
Damit lassen sich erstmals äußerst komplexe Mikrostrukturen in Abhängigkeit von der Auflösung systematisch untersuchen. Die Mikrostruktur eines Materials bestimmt weitgehend seine elastischen, plastischen, mechanischen, elektrischen, magnetischen, thermischen, rheologischen und hydraulischen Eigenschaften. Umgekehrt können die Physiker aus den physikalischen Eigenschaften Rückschlüsse auf die Mikrostruktur ziehen.
Bisher war es nicht möglich, die vollständige Mikrostruktur einer Probe von mehreren Zentimetern Ausdehnung mit einer Auflösung von einigen hundert Nanometern abzubilden. „Man bräuchte mehrere Jahre Messzeit an einem Teilchenbeschleuniger wie zum Beispiel dem europäischen Synchrotronspeicherring in Grenoble, um dreidimensionale Abbildungen vergleichbarer Größe und Genauigkeit herzustellen“, erklärt Hilfer. Sein Team hat deshalb einen anderen Weg eingeschlagen. Zunächst haben die Forscher Verfahren und Theorien entwickelt, mit denen es möglich ist, Mikrostrukturen zu vergleichen und zu kalibrieren. Anschließend haben sie Algorithmen und Datenstrukturen entwickelt, die es erlauben, Computermodelle hinreichender Größe und Genauigkeit zu erzeugen. Diese Modelle haben die Physiker schließlich rechnerisch digitalisiert und an realen Gesteinsproben kalibriert.
U. Stuttgart / OD