04.06.2025

Wendelstein 7-X erreicht neue Bestwerte

Stellerator stellt einen Weltrekord beim Tripelprodukt auf.

Auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk sind Anlagen vom Typ Stellarator eine der aussichtsreichsten Optionen. Künftig könnten sie nutzbare Energie gewinnen, indem sie leichte Atomkerne miteinander verschmelzen. Diese Reaktion soll in einem viele zehn Millionen Grad Celsius heißen Plasma ablaufen. Mit Wendelstein 7-X betreibt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik IPP in Greifswald mit Unterstützung des europäischen Fusionskonsortiums Eurofusion das weltweit größte und leistungsfähigste Experiment dieser Art. Wendelstein 7-X soll beweisen, dass Stellaratoren in der Praxis die herausragenden Eigenschaften zeigen, die sich aus theoretischen Überlegungen ergeben – und dass sie als Konzept für ein künftiges Fusionskraftwerk geeignet sind.

Abb.: Blick ins Innere des Vakuumgefäßes von Wendelstein 7-X in Greifswald.
Abb.: Blick ins Innere des Vakuumgefäßes von Wendelstein 7-X in Greifswald.
Quelle: J. Hosan, IPP

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In der Ende Mai beendeten Experimentkampagne OP 2.3 erzielte das internationale W7-X-Team einen neuen Weltrekord für das Tripelprodukt bei langen Plasmaentladungen: Am letzten Messtag konnte über 43 Sekunden Plasmadauer ein neuer Spitzenwert für diese zentrale Kenngröße in der Fusionsphysik erreicht werden. Damit übertrifft Wendelstein 7-X bei längeren Plasmazeiten sogar die Bestwerte von Fusions-Anlagen des Typs Tokamak. Tokamaks nutzen ebenfalls das Prinzip des magnetischen Einschlusses, sind aber wegen ihrer einfacheren Bauweise bereits deutlich besser erforscht als Stellaratoren. Die absolut höchsten Werte für das Tripelprodukt erreichten der japanische Tokamak JT60U (stillgelegt 2008) und die europäische Tokamak-Anlage JET in Großbritannien (stillgelegt 2023). Bei kurzen Plasmadauern von wenigen Sekunden bleiben sie mit deutlichem Abstand Spitzenreiter. Bei den – für ein künftiges Kraftwerk wichtigen – längeren Plasmadauern liegt Wendelstein 7-X jetzt vorn, obwohl JET über ein dreimal so großes Plasmavolumen verfügte. Größe erleichtert bei Fusionsanlagen ganz erheblich das Erreichen hoher Temperaturen.

„Der neue Rekord ist eine großartige Leistung des internationalen Teams. Er zeigt eindrucksvoll das Potenzial von Wendelstein 7-X. Dass wir bei langen Plasmadauerzeiten das Tripelprodukt auf Tokamak-Niveau anheben konnten, markiert einen weiteren wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum kraftwerkstauglichen Stellarator“, sagt Thomas Klinger, Leiter des Betriebs von Wendelstein 7-X. Der neue Tripelprodukt-Weltrekord für lange Pulse gelang durch enge Zusammenarbeit von Forschenden des europäischen Wendelstein-7-X-Teams in Greifswald und Kooperationspartnern aus den USA. Eine Schlüsselrolle spielte dabei der neue Pellet-Injektor, der gefrorene Wasserstoffkügelchen ins Plasma einschießt und so durch Brennstoffnachschub erst lange Plasmadauern ermöglicht. Das Oak Ridge National Laboratory des US-Energieministeriums in Tennessee hat den hochkomplexen und weltweit einzigartigen Injektor entwickelt und am Wendelstein 7-X erfolgreich in Betrieb genommen.

Beim Rekordexperiment zum Tripelprodukt wurden in einer raschen Sequenz über 43 Sekunden etwa 90 gefrorene millimetergroße Wasserstoffkügelchen eingeschossen, während gleichzeitig starke Mikrowellen das Plasma heizten. Dabei kam es auf die präzise Koordination von Heizung und Pellet-Injektor an, um die optimale Kombination aus Heizleistung und Brennstoff-Füllung zu erreichen. Der Trick bestand darin, den Pellet-Injektor erstmals so zu betreiben, dass er mit unterschiedlichen vordefinierten Pulsraten lief – was er mit beeindruckender Präzision erfüllte. Dieses Schema ist unmittelbar relevant für einen künftigen Fusionsreaktor. Es kann potenziell auch auf längere Plasmadauern von mehreren Minuten ausgedehnt werden.

Der Einsatz von Pellets wurde dank der Vorarbeit mehrerer europäischer Labore möglich, unter anderem Simulationsrechnungen des spanischen Fusionsforschungslabors Ciemat und Beobachtungen mit ultraschnellen Kameras durch das Hun-Ren Centre for Energy Research Budapest. Das Mikrowellen-Heizsystem wurde in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT und einem Team der Universität Stuttgart entwickelt. Es gilt als vielversprechendste Methode, um das Plasma auf fusionsrelevante Temperaturen zu bringen.

Bei dem Rekordexperiment wurde die Plasmatemperatur auf über zwanzig Millionen Grad Celsius, in Spitzen sogar auf dreißig Millionen Grad Celsius getrieben. Die Messwerte zur Berechnung des Tripelprodukts lieferte unter anderem das Princeton Plasma Physics Laboratory des DOE, das zur Bestimmung der Plasma-Ionentemperatur bei W7-X ein Röntgen-Spektrometer betreibt. Die notwendigen Messwerte für die Plasmaelektronendichte stammen vom weltweit einzigartigen Interferometer des IPP. Die für die Berechnung des Tripelprodukts erforderliche Energieeinschlusszeit wurde ebenfalls mit IPP-Messinstrumenten bestimmt.

Während der Experimentkampagne OP 2.3 erreichte Wendelstein 7-X zwei weitere Meilensteine: Der Energieumsatz konnte auf 1,8 Gigajoule gesteigert werden (Plasmadauer: 360 Sekunden). Der bisherige Bestwert aus dem Februar 2023 lag bei 1,3 Gigajoule. Der Energieumsatz ergibt sich aus der eingekoppelten Heizleistung multipliziert mit der Dauer der Entladung. Nur wenn es gelingt, kontinuierlich große Energiemengen ins Plasma einzukoppeln und die entstehende Wärme wieder abzuführen ist ein späterer Kraftwerksbetrieb möglich. Der entsprechende Bestwert der 1000 Sekunden langen Entladung im Tokamak EAST (China) wurde damit von Wendelstein 7-X sogar etwas übertroffen.

Beim Verhältnis von Plasmadruck zu magnetischem Druck schaffte Wendelstein 7-X erstmals einen Wert von drei Prozent im Gesamt-Volumen. In einer Experimentreihe wurde dazu das Magnetfeld auf etwa siebzig Prozent abgesenkt und so gezielt der magnetische Druck reduziert. Dieses Verhältnis von Plasmadruck zu magnetischem Druck – Beta-Wert genannt – ist die entscheidende Größe für die Hochrechnung auf ein künftiges Fusionskraftwerk, für das dann vier bis fünf Prozent im Volumen erforderlich sein werden. Der neue Rekordwert war von einem Spitzenwert für die Ionentemperatur von etwa vierzig Millionen Grad begleitet. „Die Rekorde dieser Experimentkampagne sind mehr als reine Messwerte. Sie stehen für einen wichtigen Fortschritt bei der Validierung des Stellarator-Konzepts – ermöglicht durch eine exzellente internationale Zusammenarbeit“, sagt Robert Wolf, Leiter des Bereichs Stellarator-Heizung und -Optimierung.

IPP / JOL

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