Weniger defekte Defekte
Neue Computersimulationen ermöglichen sehr viel bessere Vorhersagen der Eigenschaften von Halbleitern.
Punktdefekte wie zum Beispiel das Fehlen einzelner Atome bestimmen maßgeblich die Leistungs- und Widerstandsfähigkeit moderner Materialien. Dabei spielt die Anzahl der Defekte eine wichtige Rolle. Selbst geringste Defektkonzentrationen von 1:100.000 können maßgeblich die Widerstandsfähigkeit von mikroelektronischen Halbleitern, wie Prozessoren und Solarzellen, und Strukturmaterialien, wie Stahl, beeinflussen.
Abb.: Atomare Verteilung in einem Kupfer-Kristall (Bild: MPIE)
Um Defekte in einem Material zu untersuchen und damit Rückschlüsse auf die Widerstandsfähigkeit zu ziehen, gab es bisher zwei Herangehensweisen. Theoretische Physiker berechnen die Energie der Gitterdefekte. Diese Berechnungen funktionieren aber nur am sogenannten absoluten Nullpunkt. Experimentell dahingegen lassen sich Defekte ausschließlich bei sehr hohen Temperaturen von etwa 600 bis 1000 Kelvin messen. Es bestand also ein großes Temperaturintervall ohne jegliche Daten. Genau dieses fehlende Intervall ist aber wichtig bei der Berechnung von Defekten in Materialien, die bei Raumtemperatur angewendet werden.
Physikern in der Abteilung „Computergestütztes Materialdesign“ am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE) ist nun der Durchbruch in der Computersimulation von Defekten in genau diesem, fehlenden Temperaturintervall gelungen. „Bisherige Berechnungen der Energien von Gitterdefekten konnten die komplexe Wechselwirkung von Gitterschwingungen nicht einbeziehen. Dank methodischer Durchbrüche gelang es uns, die Wechselwirkung der Gitterschwingungen und deren Temperaturabhängigkeit in unsere Berechnungen vollständig mitzunehmen und zu zeigen, dass diese maßgeblich die Anzahl der Defekte im Material beeinflusst“, so Albert Glensk, Doktorand am MPIE. „Alle bisherigen Ergebnisse über Defekte in kristallinen Materialien müssen nun korrigiert werden. Unsere Rechnungen zeigen, dass die bisher verwendeten Defektenergien um bis zu zwanzig Prozent niedriger ausfallen als angenommen. Zum ersten Mal wird nun die Lücke zwischen Theorie und Experiment überbrückt. Alle experimentellen Ergebnisse können nun auch theoretisch beschrieben werden“, so Glensk.
Mit dieser neuen Einsicht können Wissenschaftler nun viel genauer berechnen und vorhersagen, wie viele Defekte im Material vorhanden sind, um dadurch Aussagen über die Widerstandsfähigkeit des Materials zu treffen. Mit anderen Worten: es wird zukünftig besser möglich sein, Werkstoffe auf dem Computer zu optimieren und Materialversagen vorauszusehen und dadurch besser in Produktionsabläufe einzuplanen.
MPIE / DE