09.10.2019

Wenn die Erde flüssig wäre

Eine geschmolzene Erde hätte einen um etwa fünf Prozent größeren Radius als eine feste Erde.

Gesteinsplaneten so groß wie die Erde sind für kosmische Maßstäbe klein. Deshalb ist es ungemein schwierig, sie mit Teleskopen zu entdecken und zu charak­terisieren. Was sind die optimalen Bedingungen, um so kleine Planeten draussen im All zu finden? „Ein Gesteins­planet, der heiß und geschmolzen ist und womöglich eine ausgedehnte Gas­atmosphäre besitzt, erfüllt die Kriterien“, sagt Dan Bower, Astro­physiker am Center for Space and Habi­tability CSH der Universität Bern. Aufgrund der starken Abstrahlung könnten Teleskope einen solchen Planeten leichter aufspüren als ein festes Pendant. „Zugegeben, niemand möchte auf einem dieser Planeten Ferien machen“, sagt der Forscher. „Aber die Unter­suchung dieser Objekte ist wichtig, da viele, wenn nicht sogar alle Gesteins­planeten ihr Leben als geschmolzene Brocken beginnen. Einige davon könnten irgendwann bewohnbar werden wie die Erde.“

Abb.: Künst­lerische Darstellung des Inneren eines heißen, geschmol­zenen...
Abb.: Künst­lerische Darstellung des Inneren eines heißen, geschmol­zenen Gesteins­planeten. (Bild: T. Roger, U. Bern)

Gesteins­planeten werden aus den Resten aller Resten gebildet. „Alles, was nicht in den Zentralstern oder einen Riesen­planeten gelangt, hat das Potenzial, einen viel kleineren, terres­trischen Planeten zu formen“, sagt Bower. „Wir haben Grund zur Annahme, dass Prozesse während der Babyjahre eines Planeten für seinen späteren Lebensweg entscheidend sind.“ Daher wollten Bower und sein Team die beobacht­baren Charak­teristiken eines solchen Planeten aufdecken. Ihr Ergebnis: eine geschmolzene Erde hätte einen um etwa fünf Prozent größeren Radius als eine feste Erde. Denn unter den extremen Bedingungen im Planeten­inneren verhält sich geschmolzenes Material anders als festes. „Im Wesent­lichen nimmt ein geschmolzenes Silikat mehr Volumen ein als der entsprechende Festkörper, und das macht den Planeten größer“, sagt Bower.

Einen erdgroßen Gesteins­planeten bei einem hellen, sonnen­ähnlichen Stern wird man allerdings nicht vor dem Start der Raumsonde Plato im Jahr 2026 aufspüren. Doch inzwischen interes­sieren sich die Forscher vor allem für Planeten, die kühlere, kleinere Sterne wie die Roten Zwerge Trappist-1 oder Proxima b umkreisen. Interessanter­weise kann eine fünfprozentige Differenz bei den Planeten­radien bereits mit aktuellen und künftigen Beobachtungsinstrumenten gemessen werden, insbesondere mit dem Weltraum­teleskop Cheops, das in Bern entwickelt und zusammen­gebaut wurde und noch in diesem Jahr starten wird. Tatsächlich deuten die neuesten Daten darauf hin, dass geschmolzene Planeten mit kleiner Masse, deren Temperatur durch das intensive Licht vom Stern über lange Zeit hoch bleibt, im Katalog der Exoplaneten bereits vorhanden sind. Einige Exoplaneten könnten also ähnliche Bausteine wie die Erde haben, aber unter­schiedliche Mengen an festem und geschmolzenem Gestein, was die beobachteten Abweichungen in der Planetengröße erklären würde. „Sie müssen nicht unbedingt aus exotischen, leichten Materialien bestehen, um die Daten zu erklären“, sagt Bower.

Aber selbst ein völlig geschmolzener Planet bietet möglicher­weise keine Erklärung für die extremsten geringen Dichtewerte, die beobachtet wurden. Doch auch dafür hat das Forschungs­team einen Vorschlag: In ihrer frühen Entwicklung können geschmolzene Planeten durch Entgasung von Magma mächtige Atmo­sphären aus flüchtigen Bestand­teilen bilden, die ursprünglich in der Schmelze gelöst waren. Dies könnte eine zusätzliche Abnahme der beobachteten Planeten­dichte erklären. Das James-Webb-Weltraum­teleskop (JWST) sollte in der Lage sein, eine solche Atmosphäre auf einem Planeten um einen kühlen Roten Zwergstern zu erkennen, wenn diese vor allem Wasser oder Kohlendioxid enthält.

Neben den Konsequenzen für die Beobachtungen sieht Bower als Erdwissen­schaftler seine Studie in einem breiteren Kontext: „Unsere eigene Erde können wir natürlich nicht beobachten, als sie heiß und geschmolzen war. Aber die Exoplaneten-Forschung eröffnet uns die Möglichkeit, Ent­sprechungen der jungen Erde und der jungen Venus aufzuspüren.“ Das könnte für neue Erkenntnisse über die Erde und die anderen Planeten in unserem Sonnen­system sehr wichtig werden. Betrachtet man die Erde im Kontext von Exoplaneten und umgekehrt, bieten sich neue Möglich­keiten, die Planeten innerhalb und ausserhalb des Sonnen­systems zu verstehen.

U. Bern / JOL

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