15.07.2015

Wenn es sich reibt, sind die Atome schuld

Computersimulationen bestätigen einfaches Reibungs­gesetz auf mikroskopischer Ebene.

Je größer die Last, umso größer die Reibkraft – das ist ein wohlbekanntes Gesetz der Reibungslehre. Warum es allerdings einen so einfachen, linearen Zusammenhang zwischen Last und Reibung gibt, war bisher nicht klar. Ein Team des Exzellenzzentrums für Tribologie AC²T und der TU Wien konnte diese Frage nun auf mikroskopischer Ebene klären: Entscheidend ist die effektive Kontaktfläche zwischen den beiden aneinander reibenden Objekten. Erstaunlich ist, dass sich damit sogar das Reibverhalten bei Material­ver­schleiß erklären lässt. Auch in diesem Fall ist die effektive Kontaktfläche auf atomarer Skala die entscheidende Größe.

Abb.: Eine zufällig geformte raue Oberfläche vor dem Schleifprozess (links). Die Oberfläche kommt mit eckigen Abrasivpartikeln in Kontakt (Mitte), die Kontaktfläche wird am Computer berechnet. Am Ende der Simulation weist die Oberfläche typische V-förmige Kratzer in Schleifrichtung auf (rechts, Bild: TU Wien).

Um die tieferen Grundlagen der Reibung zu verstehen, muss man die Reibungsoberflächen auf atomarer Ebene untersuchen. Die Forscher entwickelten Computersimulationen, mit denen sie Oberflächen auf der Größenskala von Nanometern modellieren konnten. In der Simulation lassen sich die Oberflächen gegeneinander bewegen und somit Reibung und Materialabtrag nachstellen.

Reibung beruht darauf, dass die beiden aufeinander aufliegenden Ober­flächen nicht ganz glatt sind. Einzelne Rauheitsspitzen kommen miteinander in Kontakt. „Wenn die Last gering ist, besteht nur physischer Kontakt zwischen den äußersten Unebenheiten der beiden Flächen“, erklärt Stefan Eder vom AC²T. „Wirkt von oben eine größere Last ein, werden die beiden Flächen enger aneinandergedrückt, und die effektive Kontaktfläche wird größer.“ Je größer die Kontaktfläche ist, auf der die Atome beider Objekte wechselwirken, umso größer ist auch die Reibkraft.

Der einfache lineare Zusammenhang zwischen Last und Reibung kommt also daher, dass mehr Last zu einer immer größeren Zahl von Atomen führt, die miteinander eng wechselwirken können. „Im Experiment ist es praktisch unmöglich, die Größe der effektiven Kontaktfläche zu messen“, sagt Eder. „In unserer Computersimulation können wir uns aber genau ansehen, wie die Nanostrukturen ineinandergreifen und welche Kontaktflächen sich ergeben. So können wir zeigen, dass es tatsächlich einen linearen Zusammenhang zwischen Kontaktfläche und Kraft gibt.“

Die Rechnungen erklären auch, warum die Reibung besonders groß ist, wenn eckige Partikel an einer Oberfläche reiben, und etwas geringer, wenn runde Partikel dominieren: Eckige Partikel führen zu einer größeren effektiven Kontaktfläche, runde Partikel berühren die raue Oberfläche fast nur an einem Punkt. Außerdem konnte gezeigt werden, dass der einfache Zusammenhang zwischen Kontaktfläche und Reibkraft auch dann noch gegeben ist, wenn es zu deutlichem Materialverschleiß an der Oberfläche kommt. „Dass dieses recht einfache Bild tatsächlich auf mikroskopischer Skala seine Gültigkeit behält, ist überraschend“, so Eder.

Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen auch in die industrienahen tribologischen Projekte einfließen, an denen im Exzellenzzentrum gearbeitet wird, beispielsweise in den Bereichen Hochglanzpolieren sowie Verschleißprozesse mit Nanopartikeln.

TUW / RK

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