01.11.2018

Wenn kurze Pulse am Atom rütteln

Zeitverlauf der Dipolantwort eines Atoms auf starke Laserfelder anhand spektraler Analyse bestimmt.

Das Verständnis und die Kontrolle ultra­schneller Quanten­dynamik in Materie ist eine der zentralen Heraus­forderungen in der modernen Physik. In den meisten Fällen wird die Antwort des unter­suchten Systems auf eine externe Störung, z. B. einer Anregung, in einem Pump-Probe-Schema gemessen. Ein erster Laser­puls startet einen dynamischen Prozess, der nach­folgend mit einem zweiten Laser­puls mit variabler Verzögerung abgefragt wird. Zur Zeit erlaubt dies die Messung ultra­schneller Bewegungen bis auf Zeit­skalen von Femto- und Atto­sekunden. Jedoch ist es nach wie vor schwierig, die Dynamik von gebundenen Elektronen unter Einfluss intensiver Laser­felder in Echt­zeit zu vermessen. Ein Weg hierzu ist, die wellen­artige Ladungs­oszillation des Elektrons, die „Dipolantwort“, aus den Messungen zu extrahieren.

Abb.: Durch einen IR-Laserpuls modifizierte Dipol­antwort eines Helium­atoms nach Anregung durch einen UV-Laser­puls. (Bild: MPIK)

Allgemein werden eine Welle und das zu ihr komplementäre Spektrum, die beide über eine Fourier-Transformation verknüpft sind, durch komplexe Zahlen mit jeweils zwei reellen Größen beschrieben: Amplitude und Phase. Erstere ist mit der Intensität, letztere mit der Zeit verbunden. Wenn ein System durch einen sehr kurzen Laser­puls angeregt wird, erlaubt eine simple Fourier-Transformation des gemessenen Absorptions­spektrums, die Zeit­entwicklung der Dipol­antwort zu rekonstruieren. Dies war bereits für das Regime schwacher Licht­felder unter dem Begriff „lineare Antwort“ (linear response) bekannt.

Physiker des Max-Planck-Instituts für Kern­physik (MPIK) und der Technischen Universität Wien (TUW) haben nun gezeigt, dass dieses Konzept auf den Fall eines starken zusätzlichen Laser­pulses, der die Dipol­antwort der Elektronen antreibt, verall­gemeinert werden kann. Die Abbildung illustriert das von Veit Stooß in der Gruppe von Christian Ott und Thomas Pfeifer am MPIK durch­geführte experimentelle Verfahren: Einem ultra­kurzen Atto­sekunden-Ultra­violett-Laserpuls (UV, blau) folgt direkt ein intensiver Femto­sekunden-Infra­rot­puls (IR, rot), der die Dipol­antwort (violett) der Probe – hier ein Helium­atom – modifiziert. Das UV-Absorptions­spektrum, zu dem der ein­gestrahlte Atto­sekunden­puls und die Dipol­antwort beitragen, wird analysiert (rechts). Aus dem gemessenen Spektrum lässt sich die vom starken IR-Feld getriebene zeit­abhängige Antwort­funktion über eine Fourier-Transformation rekonstruieren.

Es gibt zwei theoretische Modelle für einen bestimmten doppelt angeregten Zustand im Helium für drei verschiedene Intensitäten des IR-Pulses: Eine vollständige Ab-Initio-Simulation aus der Gruppe von Joachim Burg­dörfer (TUW) sowie ein Modell von Veit Stooß und Stefano Cavaletto (Gruppe von Christoph Keitel am MPIK), das mit nur wenigen angeregten Zuständen des Helium-Atoms auskommt. Ohne den intensiven IR-Puls würde die Dipol­antwort schlicht exponentiell gedämpft abnehmen, entsprechend dem natürlichen Zerfall des angeregten Zustands durch Auto­ionisation. Während der Wechsel­wirkung mit dem starken IR-Feld führt resonante Kopplung an weitere Zustände zu einer Modulation (Rabi-Oszillation) der Antwortfunktion.

Bei der höchsten Intensität zeigt sich eine verstärkte Dämpfung durch Starkfeld­ionisation, welche den angeregten Zustand schneller ent­völkert als dessen natürlicher Zerfall. Auch hier stimmt die rekonstruierte Antwort noch gut mit der Ab-Initio-Simulation überein, während das andere Modell (mit nur wenigen Zuständen) zusammen­bricht. Die Ursache für diesen beobachteten Zusammen­bruch liegt in der auf­kommenden dynamischen Komplexität ober­halb einer kritischen Intensität, wo die Anzahl der beteiligten Zustände gleich­sam explodiert.

Der hier demonstrierte Ansatz einer zeitlichen Rekonstruktion macht keine Annahmen über die unter­suchte Probe und sollte daher allgemein auf komplexe Systeme wie große Moleküle in Lösungen oder für Experimente mit Freie-Elektronen-Lasern anwend­bar sein, bei denen in einem einzigen Schuss die komplette Information auf­genommen wird. Ferner ist das Konzept nicht einmal auf Laser­felder beschränkt, sondern könnte sich auf jegliche Art von Wechsel­wirkung anwenden lassen.

MPIK / DE

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