01.12.2025

Wenn Spin und Schall ko­exis­tie­ren

Physiker der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau erzeugen hybride Spin-Schall-Wellen.

Akustische Frequenzfilter, die elektrische Signale in miniaturisierte Schallwellen umwandeln, trennen die verschiedenen Frequenzbänder für Mobilfunk, WLAN sowie GPS in Smartphones voneinander. Physiker der RPTU konnten nun zeigen, dass solche miniaturisierten Schallwellen stark an Spinwellen in Yttrium-Eisen-Granat koppeln können. Dabei entstehen neuartige hybride Spin-Schall-Wellen im Gigahertz-Frequenzbereich. Die Nutzung solcher nanoskaligen hybriden Spin-Schall-Wellen eröffnet Potenzial für agile Frequenzfilter für die kommende Mobilfunkgeneration 6G.

Akustische Oberflächenwellen (englisch: Surface Acoustic Waves, SAWs) sind allgegenwärtig. Sie entfalten zerstörerische Kraft in Form von Erdbebenwellen und verrichten gleichzeitig gänzlich unbemerkt, aber milliardenfach eingesetzt, ihren Dienst in der Form miniaturisierter Frequenzfilter im Gigahertz-Frequenzbereich in Smartphones. 

Das Forschungsteam der RPTU um Mathias Weiler arbeitet daran, neuartige Anwendungsfelder für solche miniaturisierten schallbasierten Mikrowellenkomponenten zu eröffnen. Entscheidend dabei ist die Vernetzung der etablierten SAW-Technologie mit Spinphänomenen. „Schallwellen können sich nicht nur in Luft, sondern auch in Materie ausbreiten. Dabei oszillieren die Gitteratome des Materials“ erklärt der Professor. Da die Elektronen der Gitteratome einen quantenmechanischen Drehimpuls, den Spin, besitzen, kann auch dieser zur Oszillation angeregt werden. Die Schallwellen erzeugen dann Spinwellen in magnetisch geordneten Materialien.

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Andreas Tittl und Stefan A. Maier • 6/2023 • Seite 23

Sensorik mit Nanofokus

Das Forschungsteam hat solche kollektiven akustischen Anre­gungen von Spins im ferri­magneti­schen Isolator Yttrium-Eisen-Granat (Yttrium Iron Garnet, YIG) unter­sucht. YIG weist eine äußerst lange Lebens­dauer von Spinwellen auf, und ist daher ein ideales Unter­suchungs­objekt. Die nun veröffent­lichte Arbeit zeigt, dass sich in einem nano­struktu­rierten akustischen Ober­flächen­wellen­resonator hybride Anre­gungen – Magnon-Polaro­nen – bilden lassen. „Wir haben beobachtet, dass die quanten­mechani­sche Kopplung von Spin und Schall dazu führen kann, dass sich eine neuartige chimäre Welle bildet, die weder Schallwelle noch Spinwelle ist. Spin und Schall lassen sich in dieser Anre­gung nicht mehr trennen, sondern koexistieren“, führt Kevin Künstle aus.

Insbesondere ist es den Forschern gelungen zu zeigen, dass diese chimäre Welle zeit­lich perio­disch zwischen Schall- und Spin­zustand oszil­liert. Die charakte­ris­tische Über­gangs­frequenz dieser Oszil­lation – die Rabi-Frequenz – ist dabei deutlich größer als alle Verlust­raten im System. Das ist der eindeu­tige Beweis dafür, dass sich das System im Regime der starken Kopplung befindet.

Zur Erklärung dieser Phäno­mene konnte gemeinsam mit Kollegen der RPTU-Arbeits­gruppe um Professor Akashdeep Kamra ein theore­tisches Modell entwickelt werden, welches die beobach­tete Kopplungs­stärke quanti­tativ vorher­sagen kann.

Das quantitative Verständnis der Kopplungs­phänomene sowie die ebenfalls in der Arbeit gezeigte Kontrolle über die Stärke der Spin-Schall-Kopplung eröffnet neue Perspek­tiven für die technolo­gische Nutzung hybrider Zustände aus Schall- und Spin­wellen. „Unsere hybride Spin-Schall Anregungen vereinen zwei Säulen der Mikro­wellen­techno­logie: akustische Filter und ferri­magne­tische Isolatoren“, ergänzt Professor Weiler. „In Zukunft könnten solche Systeme genutzt werden, um die Funktio­nalität miniatu­risier­ter Mikro­wellen­bauteile zu erweitern. Es ließen sich etwa agile Frequenz­filter reali­sieren, die sich im Betrieb verstellen lassen. Dies eröffnet neue Konzepte für die Implemen­tierung von 6G-Kommuni­kations­netzen, dem Mobil­funk­standard der Zukunft.“ [RPTU / dre]

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