Einblick in ultraschnelle Spinprozesse
Rasante Entmagnetisierung durch spinpolarisierte Stromimpulse beobachtet.
Spintronische Bauelemente basieren auf magnetische Momente, in der Regel Elektronenspins, die ihre Ausrichtung verändern können. Spintronische Bauelemente können daher extrem schnell arbeiten, aktuell in Zeitskalen von hundert Pikosekunden. Die mikroskopischen Prozesse selbst laufen jedoch noch viel schneller ab, im Bereich von wenigen hundert Femtosekunden. Nun ist es einem internationalen Team um Christine Boeglin von der Universität Straßburg erstmals gelungen, einige dieser dynamischen Prozesse in einem magnetischen Schichtsystem experimentell zu beobachten. Sie untersuchten ein Spinventil, das aus alternierenden Platin-Kobalt-Schichten und einer Eisen-Gadolinium-Legierung besteht. In diesem System sind die Wechselwirkungen zwischen angeregten Elektronen und den magnetischen Schichten besonders stark.

Deeksha Gupta führte die Experimente an der Femtoslicing-Station von Bessy II zusammen mit dem Team am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie durch, das diese weltweit einzigartige Infrastruktur betreibt. Ein Femtosekunden-Infrarotlaser erzeugt zunächst heiße Elektronen in einer Platin-Deckschicht. Eine sechzig Nanometer dicke Kupferschicht blockiert die Photonen und sorgt dafür, dass nur heißen Elektronen die Co/Pt-Schicht an der Vorderseite des Spinventils erreichen. Sie fungiert als Spinpolarisator und produziert spinpolarisierte HE-Impulse (SPHE). Diese SPHE-Impulse konnte das Team nun charakterisieren. Dafür analysierte es die Entmagnetisierungsdynamik innerhalb der ferrimagnetischen Fe74Gd26-Schicht am Ende des Spinventils.
„Nur an der Femtoslicing-Beamline an Bessy II können wir die ultraschnelle Spindynamik für jede Komponente eines komplexen Proben-Systems separat untersuchen“, sagt Christian Schüßler-Langeheine. Das Team verwendete ultrakurze, weiche Röntgenimpulse, die auf die Resonanzen von Eisen- und Gadolinium-Atomen abgestimmt waren, und zeichnete deren jeweilige dynamische Reaktionen auf SPHE-Impulse auf. Mit Hilfe von theoretischen Modellen, die an der Universität Uppsala entwickelt wurden, konnten sie die entscheidenden Parameter der SPHE-Stromimpulse bestimmen, insbesondere die Impulsdauer, die Spinpolarisationsrichtung und die Stromdichten, die zur Reproduktion der experimentellen Ergebnisse erforderlich sind.
Deeksha Gupta, die die Experimente im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchgeführt hat, forscht weiterhin an magnetischen Materialien am HZB: „Dies ist ein Gebiet, das sich rasch entwickelt. Zum ersten Mal konnten wir wirklich Aufschluss über das Verhalten von Spinströmen in komplexen magnetischen Materialien gewinnen. Dies könnte den Weg für technologische Entwicklungen ebnen.“
HZB / JOL