23.09.2024

Heterostrukturen für die Spintronik

Untersuchungen an BESSY II zeigen, wie sich in Heterostrukturen zwei quantenphysikalische Effekte gegenseitig verstärken.

Die Spintronik nutzt die Spins von Elektronen, um logische Operationen durchzuführen oder Informationen zu speichern. Spintronische Bauelemente könnten im Idealfall schneller und energieeffizienter arbeiten als die gängigen Halbleiter-Bauelemente. Allerdings ist es noch immer schwierig, Spin-Strukturen in Materialien gezielt zu erzeugen und zu manipulieren. Als interessanter Kandidat für spintronische Anwendungen gilt Graphen, eine zweidimensional vernetzte Bienenwabenstruktur aus Kohlenstoffatomen.

Abb.: Symbolische Illustration einer Graphenschicht auf einem Mikrochip.
Abb.: Symbolische Illustration einer Graphenschicht auf einem Mikrochip. Graphen könnte in Kombination mit einer Schwermetall-Dünnschicht und ferromagnetischen Monolagen spintronische Bauelemente ermöglichen.
Quelle: Dall-E / arö / HZB; CC-SA

Graphen wird üblicherweise auf eine Dünnschicht aus einem Schwermetall aufgetragen. An der Grenzschicht zwischen Graphen und Schwermetall entwickelt sich eine starke Spin-Bahn-Kopplung, was unterschiedliche Quanteneffekte ermöglicht, darunter auch eine Spin-Bahn-Aufspaltung der Energieniveaus, den Rashba-Effekt, und eine Verkantung bei der Ausrichtung der Spins, die Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkung. Speziell dieser letzte Effekt wird benötigt, um wirbelartige Spin-Strukturen zu stabilisieren, Skyrmionen, die für die Spintronik besonders geeignet sind.

Jetzt hat ein Team aus Spanien und Deutschland gezeigt, dass sich diese Effekte deutlich verstärken, wenn zwischen Graphen und Schwermetall-Substrat – in diesem Fall Iridium – noch einige Monolagen aus dem ferromagnetischen Element Kobalt eingefügt werden. Die Proben wurden auf isolierenden Substraten gezüchtet, was eine notwendige Voraussetzung für die Implementierung multifunktionaler Spintronik-Bauelemente ist, die diese Effekte nutzen.

„Wir haben an BESSY II die elektronischen Spektren an den Grenzflächen zwischen Graphen, Kobalt und Iridium genau analysiert“, sagt Jaime Sanchez-Barriga vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. Die wichtigste Erkenntnis: Wider Erwarten wechselwirkt das Graphen nicht nur mit dem Kobalt, sondern auch durch das Kobalt hindurch mit dem Iridium. „Die Wechselwirkung zwischen Graphen und dem Schwermetall Iridium wird durch die ferromagnetische Kobalt-Schicht vermittelt“, erklärt Sánchez-Barriga. Dabei verstärkt die ferromagnetische Schicht die Aufspaltung der Energieniveaus. „Wir können den Effekt der Spin-Verkantung durch die Anzahl der Kobalt-Monolagen beeinflussen, optimal sind drei Monolagen“, so Sánchez-Barriga.

Dieses Ergebnis wird nicht nur durch die Messergebnisse gestützt, sondern auch durch neue Berechnungen im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie. Dass sich beide Quanteneffekte gegenseitig beeinflussen und verstärken, ist neu und unerwartet. Die Ergebnisse zeigen, dass Heterostrukturen auf Basis von Graphen ein großes Potential für die nächste Generation von spintronischen Bauelementen besitzen.

HZB / RK

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