26.10.2015

Wenn Teilchen in Neutronen baden

Simulationen zu Teilchen in neutronenreicher Umgebung zeigen fließende Abhängigkeit von Bindungsstärke.

Wenn man einen Magneten auf einen Tisch legt und einen zweiten darüber hält, erscheint dieser aufgrund der Anziehung durch den ersten Magneten schwerer, als er eigentlich ist. Verringert man nun sukzessive den Abstand der Magneten, wird die Anziehungskraft zwischen ihnen immer größer. Irgendwann ist sie so groß, dass sie die Schwerkraft überwiegt: Die beiden Magneten schnappen zusammen. Ganz ähnlich geht es im Mikrokosmos zu. Auch kleinste Materieteilchen können miteinander in Wechselwirkung treten und dabei Quasi-Teilchen bilden.

Abb.: Shahin B. Bour (Bild: V. Lannert, Uni Bonn)

Wenn diese Wechselwirkung stark genug ist, schnappen die Teilchen ebenfalls zusammen: Sie binden aneinander. Doch was geschieht dabei genau? Experimentell lässt sich diese Frage nur eingeschränkt beantworten. Die Wissenschaftler haben den Vorgang daher am Computer nachgestellt. In ihrer Simulation ließen sie dazu ein fremdes Teilchen – eine Verunreinigung – in einen „See“ von Neutronen eintauchen. Dabei variierten sie, wie stark das Teilchen mit den Neutronen wechselwirkte.

Bei einer schwachen Wechselwirkung würde man lediglich erwarten, dass das fremde Teilchen die Neutronen etwas zu sich herüberzieht und so ein Quasi-Teilchen mit größerer Masse entsteht. Bei einer starken Wechselwirkung sollte das Teilchen dagegen mit einem Neutron eine Bindung eingehen. „Wir haben erwartet, dass es einen scharfen Übergang gibt: Wird ein Grenzwert für die Stärke der Wechselwirkung überschritten, kommt es zur Bindung“, erklärt Shahin B. Bour vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. „Stattdessen haben wir festgestellt, dass dieser Übergang fließend ist: Je stärker das Teilchen mit dem Neutron wechselwirkt, desto stärker wird die Bindung zwischen ihnen.“ Dieses Verhalten widerspricht theoretischen Vorhersagen, die einen plötzlichen Übergang prognostizieren.

Die Wissenschaftler mussten für ihre Studie eigens ein neues Modellierungsverfahren entwickeln. Es fußt auf einem Monte-Carlo-Algorithmus. Wer beispielsweise wissen möchte, wie ein Regentropfen fällt – ob er durch die Kollision mit anderen Tropfen wächst oder schrumpft, ob er als Schneeflocke oder Hagelkorn auf dem Boden auftrifft –, der kommt um Monte-Carlo-Simulationen kaum herum.

Die Fragestellung, die die Wissenschaftler mit ihrer Simulation beantworten, ist keineswegs nur von akademischem Interesse. „Ganz ähnliche Prozesse spielen sich beispielsweise in Neutronensternen ab“, betont Bour. „Wir wollen unsere Methode nutzen, um diese Vorgänge zu simulieren. So können wir genauer verstehen, was über unseren Köpfen passiert.“

U. Bonn / DE

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