07.09.2020

Wenn Wassermoleküle zu zittern beginnen

Spontane Tunnelionisation lässt sich mit Terahertz-Feldern deutlich verstärken.

Das Wassermolekül besitzt auf Grund der unterschiedlichen Elektronen­dichte des Sauerstoff- und der Wasserstoff-Atome ein elektrisches Dipol­moment. In flüssigem Wasser rufen diese molekularen Dipole ein elektrisches Feld hervor, dessen Stärke auf einer Femto­sekunden-Zeitskala fluktuiert und für kurze Zeit Spitzen­werte von bis zu 300 Megavolt pro Zentimeter erreicht. Bei solch hohen elektrischen Feldern kann ein Elektron seinen gebundenen Zustand im Wasser­molekül, ein Molekül­orbital, verlassen und durch eine Energie­barriere in die umgebende Flüssigkeit tunneln, was einen quanten­mechanischen Ionisations­prozess darstellt. 
 

Abb.: Moment­aufnahme der Anordnung von Molekülen in flüssigem Wasser...
Abb.: Moment­aufnahme der Anordnung von Molekülen in flüssigem Wasser (links). Fluktuierendes elektrisches Feld der Flüssigkeit (rechts; Bild: MBI Berlin)

Im Gleichgewicht kehrt das Elektron extrem schnell in seinem Ausgangs­zustand zurück, da das fluktuierende Feld keine Vorzugs­richtung aufweist und sich das Elektron deshalb nicht vom Ort der Ionisation entfernt. Wegen der effizienten Ladungs­rekombination bleibt die Zahl ungebundener freier Elektronen sehr gering: Sie beträgt im zeitlichen Mittel weniger als ein Milliardstel der Zahl von Wasser­molekülen.

Forscher des Max-Born-Instituts haben jetzt gezeigt, dass ein äußeres elektrisches Feld im Frequenz­bereich um ein Terahertz die Zahl freier Elektronen bis zum Tausendfachen erhöhen kann. Das Terahertz-Feld besitzt eine maximale Stärke von 2 Megavolt pro Zentimeter, also weniger als ein Prozent der Stärke des fluktuierenden Felds; es hat jedoch eine räumliche Vorzugs­richtung. Entlang dieser Vorzugs­richtung werden die durch das fluktuierende Feld erzeugten Elektronen beschleunigt und erreichen eine kinetische Energie von rund elf Elektronen­volt, die Ionisations­energie des Wasser­moleküls. Hierdurch wird die Ladungsrekombination am Ionisationsort unterdrückt. Die Elektronen bewegen sich über Distanzen von vielen Nanometern, bevor sie an einem anderen Ort in der Flüssigkeit lokalisiert werden. Dieser Prozess ruft starke Änderungen der Absorption und des Brechungsindex der Flüssigkeit hervor, wie es die Forscher mit ihren Experimenten zur Elektronendynamik mittels Methode der zweidimensionalen Terahertz-Spektroskopie zeitaufgelöst verfolgen konnten.

Diese überraschenden Ergebnisse enthüllen einen neuen Aspekt extrem starker elektrischer Felder in Wasser, das Auftreten spontaner Tunnel­ionisations­prozesse. Diese könnten eine wichtige Rolle bei der Eigen­dissoziation von Wassermolekülen in Ionen spielen. Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen, wie sich durch Anwendung maßgeschneiderter starker Terahertz-Felder Erzeugung, Transport und Lokalisierung von Ladungen, also grundlegende elektrische Eigenschaften von Flüssigkeiten, manipulieren lassen. 

FVB / DE

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