Wenn’s in der Erde knistert
Lange vermutete Ähnlichkeiten zwischen Rissbildungen in Materialien und Erdbeben experimentell bestätigt.
Die großen Erdbeben der letzten Jahre sind noch in den Köpfen der meisten Menschen. Viel öfter aber treten mittelgroße oder kleine Erdbeben auf, die man nur mit Hilfe von Seismographen wahrnehmen kann. Starke Erdbeben sind zum Glück wesentlich unwahrscheinlicher als schwache (Gutenberg-Richter-Gesetz). Wenn man die akustischen Signale von Erdbeben verschiedenster Stärken über die letzten Jahre im Zeitraffer von ein paar Sekunden ablaufen lässt, so entsteht ein „Knistergeräusch“ (crackling noise), ähnlich wie beim Zusammenknüllen von Papier oder beim Biss in Knusperreis. Diese Idee der Geräuschanalyse haben sich Wissenschaftler der Universität Wien sowie der Universitäten Barcelona und Cambridge zunutze gemacht, um mögliche Zusammenhänge zwischen Rissbildungen in Materialien und Erdbeben aufzudecken.
Abb.: Beben können Risse in der Erdoberfläche verursachen. (Bild: U. Wien)
Die Forscher haben nanoporöse, d.h. schwammartige Materialien aus Quarz langsam komprimiert, bis sie schließlich brachen. Die dabei entstandenen akustischen Signale wurden gemessen und mittels statistischer Methoden analysiert. „Dabei konnten wir erstmals nachweisen, dass in diesen amorphen Materialien alle vier Hauptgesetzmäßigkeiten der statistischen Seismologie von Erdbeben und deren Nachbeben erfüllt sind“, erklärt Wilfried Schranz, Materialphysiker an der Universität Wien.
Abb.: Im Labor gemessenes Spektrum des künstlich erzeugten „crackling noise“. (Bild: W. Schranz)
Bemerkenswert war für die Forscher insbesondere, dass sich das Verhalten dieser hochkomplexen Vorgänge von der Größenordnung realer Erdbeben im Bereich von Kilometern auf die Nanometerskala übertragen lässt. Dieses Phänomen der Universalität ermöglicht es, die statistischen Eigenschaften von Erdbeben im Labor an realistischen Modellsystemen zu studieren und weitreichende Schlussfolgerungen auf reale Naturvorgänge zu ziehen.
U. Wien / PH