Wettkampf magnetischer Ordnungen
Neue Einblicke dank simulierter Quantenzustände zweidimensionaler Materialien.
Zweidimensionale Materialien aus nur einer Schicht von Atomen boomen in der Forschung. Die Materialien besitzen neuartige Eigenschaften, die sich nur mithilfe quantenmechanischer Regeln erklären lassen und die für verbesserte Technologien relevant sein können. Forscher der Universität Bonn haben jetzt mithilfe von ultrakalten Atomen neue Einblicke in bisher unbekannte Quantenzustände erhalten. Ihre Entdeckung: Die magnetischen Ordnungen zwischen zwei gekoppelten dünnen Schichten aus Atomen konkurrieren miteinander.
Quantensysteme realisieren ganz eigene Materiezustände. Sie können viele neue technologische Anwendungen ermöglichen, zum Beispiel zu einer sicheren Verschlüsselung von Daten beitragen, immer kleiner und schneller werdende technische Geräte herbeiführen oder sogar die Entwicklung eines Quantencomputers ermöglichen. Ein solcher könnte in Zukunft Probleme lösen, die klassische Computer nur mit großem Aufwand oder gar nicht meistern. Wie die ungewöhnlichen Quantenzustände entstehen, ist noch lange nicht vollständig verstanden. Um Licht ins Dunkel zu bringen, setzen die Physiker um Michael Köhl am Exzellenzcluster „Matter and Light for Quantum Computing“ der Universität Bonn Quantensimulatoren ein. Diese stellen das Zusammenspiel vieler Quanten nach, was mit konventionellen Methoden nicht möglich ist. Denn: Selbst modernste Computermodelle können komplexe Vorgänge wie Magnetismus und Elektrizität nicht bis ins letzte Detail berechnen.
Der von den Wissenschaftlern verwendete Simulator besteht aus ultrakalten Atomen bei Temperaturen von nur einem millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Herunter gekühlt werden die Atome mithilfe von Lasern und Magnetfeldern. Die Atome befinden sich in optischen Gittern, die durch Überlagerung von Laserstrahlen geformt sind. So stellen die Atome das Verhalten von Elektronen in einem Festkörper nach. Der Versuchsaufbau ermöglicht es den Wissenschaftlern, vielfältige Experimente ohne externe Umbauten zu realisieren. Innerhalb des Quantensimulators schafften es die Wissenschaftler zum ersten Mal, die magnetischen Korrelationen von genau zwei miteinander gekoppelten Ebenen eines Kristallgitters zu messen. „Über die Stärke dieser Kopplung konnten wir die Richtung, in der sich Magnetismus ausbildet, um neunzig Grad drehen – ohne das Material anderweitig zu verändern“, erklären Nicola Wurz und Marcell Gall, Doktoranden in der Forschergruppe von Michael Köhl.
Um die Verteilung der Atome im optischen Gitter zu untersuchen, verwendeten die Physiker ein hochauflösendes Mikroskop, mit dem sie magnetische Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gitterschichten messen konnten. Auf diese Weise untersuchten sie die magnetische Ordnung, also die gegenseitige Ausrichtung der atomaren magnetischen Momente im simulierten Festkörper. Ihre Beobachtung: Die magnetische Ordnung zwischen den Schichten konkurrierte mit der ursprünglichen Ordnung innerhalb einer einzelnen Schicht. Das bedeutet: Je stärker die Ebenen gekoppelt wurden, desto stärker bildeten sich Korrelationen zwischen den Ebenen aus. Gleichzeitig gab es umso weniger Korrelationen innerhalb einer einzelnen Ebene.
Die neuen Ergebnisse ermöglichen es, den Magnetismus, der sich in den gekoppelten Schichtsystemen ausbreitet, auf mikroskopischer Ebene besser zu verstehen. Die Erkenntnisse sollen unter anderem in Zukunft dazu beitragen, Vorhersagen über Materialeigenschaften zu treffen und neue Funktionalitäten von Festkörpern zu erreichen. Da zum Beispiel die Hochtemperatur-Supraleitung eng mit magnetischen Kopplungen verknüpft ist, könnten die neuen Erkenntnisse langfristig zur Entwicklung neuer Technologien beitragen, die auf solchen Supraleitern basieren.
U. Bonn / JOL