07.01.2021

Wettkampf magnetischer Ordnungen

Neue Einblicke dank simulierter Quantenzustände zweidimensionaler Materialien.

Zweidimensionale Materialien aus nur einer Schicht von Atomen boomen in der Forschung. Die Materialien besitzen neuartige Eigen­schaften, die sich nur mithilfe quanten­mechanischer Regeln erklären lassen und die für verbesserte Technologien relevant sein können. Forscher der Universität Bonn haben jetzt mithilfe von ultrakalten Atomen neue Einblicke in bisher unbekannte Quanten­zustände erhalten. Ihre Entdeckung: Die magnetischen Ordnungen zwischen zwei gekoppelten dünnen Schichten aus Atomen konkurrieren miteinander. 

Abb.: Ein Kristall­gitter aus Licht fängt Atome in mehreren Doppel­schichten...
Abb.: Ein Kristall­gitter aus Licht fängt Atome in mehreren Doppel­schichten ein (l.). Tomo­graphische Aufnahmen zeigen die Spin­dichten in einer einzelnen Schicht. Sie geben Aufschluss über die magne­tische Anordnung der Atome. (Bild: M. Gall, N. Wurz et al., U. Bonn / NPG)

Quantensysteme realisieren ganz eigene Materie­zustände. Sie können viele neue techno­logische Anwendungen ermöglichen, zum Beispiel zu einer sicheren Verschlüs­selung von Daten beitragen, immer kleiner und schneller werdende technische Geräte herbeiführen oder sogar die Entwicklung eines Quanten­computers ermöglichen. Ein solcher könnte in Zukunft Probleme lösen, die klassische Computer nur mit großem Aufwand oder gar nicht meistern. Wie die unge­wöhnlichen Quantenzustände entstehen, ist noch lange nicht vollständig verstanden. Um Licht ins Dunkel zu bringen, setzen die Physiker um Michael Köhl am Exzellenzcluster „Matter and Light for Quantum Computing“ der Universität Bonn Quanten­simulatoren ein. Diese stellen das Zusammenspiel vieler Quanten nach, was mit konven­tionellen Methoden nicht möglich ist. Denn: Selbst modernste Computer­modelle können komplexe Vorgänge wie Magnetismus und Elektrizität nicht bis ins letzte Detail berechnen.

Der von den Wissenschaftlern verwendete Simulator besteht aus ultra­kalten Atomen bei Temperaturen von nur einem millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Herunter gekühlt werden die Atome mithilfe von Lasern und Magnetfeldern. Die Atome befinden sich in optischen Gittern, die durch Überlagerung von Laser­strahlen geformt sind. So stellen die Atome das Verhalten von Elektronen in einem Festkörper nach. Der Versuchs­aufbau ermöglicht es den Wissen­schaftlern, vielfältige Experimente ohne externe Umbauten zu realisieren. Innerhalb des Quanten­simulators schafften es die Wissenschaftler zum ersten Mal, die magne­tischen Korrelationen von genau zwei miteinander gekoppelten Ebenen eines Kristall­gitters zu messen. „Über die Stärke dieser Kopplung konnten wir die Richtung, in der sich Magnetismus ausbildet, um neunzig Grad drehen – ohne das Material anderweitig zu verändern“, erklären Nicola Wurz und Marcell Gall, Doktoranden in der Forschergruppe von Michael Köhl.

Um die Verteilung der Atome im optischen Gitter zu untersuchen, verwendeten die Physiker ein hochauf­lösendes Mikroskop, mit dem sie magnetische Zusammen­hänge zwischen den einzelnen Gitter­schichten messen konnten. Auf diese Weise untersuchten sie die magnetische Ordnung, also die gegenseitige Ausrichtung der atomaren magnetischen Momente im simulierten Festkörper. Ihre Beobachtung: Die magnetische Ordnung zwischen den Schichten konkurrierte mit der ursprüng­lichen Ordnung innerhalb einer einzelnen Schicht. Das bedeutet: Je stärker die Ebenen gekoppelt wurden, desto stärker bildeten sich Korre­lationen zwischen den Ebenen aus. Gleichzeitig gab es umso weniger Korrelationen innerhalb einer einzelnen Ebene.

Die neuen Ergebnisse ermög­lichen es, den Magnetismus, der sich in den gekoppelten Schicht­systemen ausbreitet, auf mikro­skopischer Ebene besser zu verstehen. Die Erkenntnisse sollen unter anderem in Zukunft dazu beitragen, Vorhersagen über Material­eigenschaften zu treffen und neue Funk­tionalitäten von Festkörpern zu erreichen. Da zum Beispiel die Hoch­temperatur-Supra­leitung eng mit magnetischen Kopplungen verknüpft ist, könnten die neuen Erkenntnisse langfristig zur Entwicklung neuer Techno­logien beitragen, die auf solchen Supraleitern basieren.

U. Bonn / JOL

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