02.01.2012

Wie die Tinte aufs Papier kommt

Forscher erklären Schreibprozess eines Füllers mit Kapillarkräften und Viskosität. Experimente mit „Minimal-Stiften“ bestätigen ihre Theorie.

Obwohl das Schreiben ein Jahrtausende altes Kulturgut des Menschen darstellt, gab es bislang keine grundlegende wissenschaftliche Beschreibung des Vorgangs. Forscher aus Südkorea und den USA haben nun in Experiment und Theorie beschrieben, wie Kapillarkräfte und Viskosität in einem Füllfederhalter zusammenwirken, um die Tinte aufs Papier zu bringen. Die Ergebnisse könnten darüber hinaus tieferen Einblick in die Funktion biologischer Systeme geben.

Abb.: Tintenstrich auf Papier: Ein Klecks, der beim Fixieren der Feder an einem Ort entstand und das Ende der Linie. Moderner Füller auf Reispapier. (Bild: J.Kim / Phys. Rev. Lett.)


Nachdem die Forscher eine Theorie des Tintenflusses entwickelt hatten, konnten sie diese mit rudimentären Stiften aus Glasröhrchen überprüfen. Das Team fand heraus, dass verschiedene physikalische Eigenschaften für die Übertragung von Tinte auf Papier verantwortlich sind.

Kapillarkräfte lassen Flüssigkeiten gegen die Gravitation in dünnen Zwischenräumen nach oben fließen. Farbe, zum Beispiel, gelangt so in einen Pinsel. Die Adhäsion, die eine Flüssigkeit über molekulare Anziehung an einen Festkörper bindet, wirkt dabei mit der Oberflächenspannung zusammen. Diese sorgt dafür, dass Flüssigkeiten sich gegenüber ihrer Umgebung abgrenzen und eine energetisch günstige Geometrie einnehmen. Dazu kommt die Viskosität, die die Tendenz einer Flüssigkeit beschreibt, zu fließen. Zuletzt bestimmt die Schreibgeschwindigkeit – wie schnell der Stift übers Papier geführt wird – den Schreibprozess.

Lakshminarayanan Mahadevan, Professor für Mathematik, Biologie und Physik an der Harvard University war an den Experimenten beteiligt. Er erklärt den Schreibvorgang als Wettstreit zwischen Papier und Feder: „Die Poren des Papieres saugen durch Kapillarkräfte die Flüssigkeit auf, während die Viskosität diesem Effekt entgegen wirkt. Bewegt man den Füller über das Papier, muss die Tinte diese Viskosität überwinden.“

Um ihre Hypothese zu testen, haben die Forscher ein minimales Schreibsystem entwickelt. Glasröhrchen mit einem halben bis einem Millimeterdurchmesser, Glyzerinlösungen verschiedener Konzentration und eine strukturierte Siliziumoberfläche dienten den Forschern als Ausgangspunkt. Mit diesem System konnten sie einen Tintenfluss beobachten, der ihrer Vorhersage entsprach.

Papier besteht aus einem Verbund von Zellulosefasern. Deshalb haben die Wissenschaftler Anwendungen jenseits des Schreibens für ihre Theorie im Sinn. Zellulose ist der Hauptbestandteil der Zellwände von Pflanzen. Deshalb, so die Forscher, habe das Verständnis des Flüssigkeitstransports in solchen Netzwerken maßgebliche Bedeutung für die Beschreibung des Wasserflusses in Pflanzen. Auch in der Biomedizin kämen poröse Materialien mit ähnlichen Eigenschaften zum Einsatz.

P. Gwynne / ISNS / P. Hummel

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