Wie entstehen Magnetare?
Nach neuen Beobachtungen spielt mehrfacher Materietransport in Doppelsternsystemen eine entscheidende Rolle.
Magnetare sind bizarre, unglaublich dichte Überreste einer Supernovaexplosion. Sie sind die stärksten bekannten magnetischen Objekte des Universums – millionenfach stärker als die kraftvollsten Magneten auf der Erde. Ein Team europäischer Astronomen glaubt nun mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO zum ersten Mal den Begleitstern eines Magnetars gefunden zu haben. Diese Entdeckung hilft bei der Erklärung, wie sich Magnetare bilden – ein Rätsel, das seit 35 Jahren ungelöst ist – und warum dieser spezielle Stern nicht zu einem Schwarzen Loch kollabiert ist, wie es Astronomen erwarten würden.
Abb.: Künstlerische Darstellung des Magnetars im Sternhaufen Westerlund 1 (Bild: L. Calçada, ESO)
Wenn ein massereicher Stern durch die Wirkung seiner eigenen Schwerkraft in einer Supernovaexplosion kollabiert, wird er entweder zu einem Neutronenstern oder zu einem Schwarzen Loch. Magnetare sind eine ungewöhnliche und sehr exotische Form von Neutronensternen. Außerdem besitzen sie extrem starke Magnetfelder. Die Oberflächen von Magnetaren senden große Mengen an Gammastrahlung aus, wenn sie eine Phase plötzlicher Neuausrichtung durchlaufen. Dieser als Sternenbeben bekannte Prozess ist die Folge enormer Spannungen, denen die Krusten der Magnetare unterliegen.
Der Sternhaufen Westerlund 1, der sich 16.000 Lichtjahre entfernt im Südsternbild Ara (Altar) befindet, beherbergt einen der zwei Dutzend in der Milchstraße bekannten Magnetare. Er trägt die Bezeichnung CXOU J164710.2-45516 und hat Astronomen große Rätsel aufgegeben. „In unserer früheren Arbeit haben wir gezeigt, dass der Magnetar im Sternhaufen Westerlund 1 im explosiven Tod eines Sternes mit der vierzigfachen Masse der Sonne entstanden sein muss. Aber damit tat sich ein ganz eigenes Problem auf, da man von Sternen dieser Masse erwarten würde, dass sie zu Schwarzen Löchern und nicht zu Neutronensternen werden, wenn sie kollabieren. Wir konnten nicht verstehen, wie aus ihm ein Magnetar werden konnte“, berichtet der Astronom Simon Clark.
Die Wissenschaftler haben nun eine Lösung für dieses Rätsel vorgeschlagen. Sie nehmen an, dass der Magnetar durch die Wechselwirkung zweier massereicher Sterne entstanden ist, die sich in einem Doppelsternsystem umkreisen, das so kompakt ist, dass es in die Umlaufbahn der Erde um die Sonne passen würde. Bis jetzt wurde jedoch kein Begleitstern in der Nähe des Magnetars in Westerlund 1 gefunden, weshalb die Astronomen das VLT nutzten, um nach ihm in anderen Teilen des Sternhaufens zu suchen. Sie hatten es auf flüchtende Sterne abgesehen, die vielleicht durch die Supernovaexplosion, bei der der Magnetar entstand, aus ihrer Umlaufbahn geschleudert wurden. Ein Stern mit der Bezeichnung Westerlund 1-5 wurde gefunden, der genau das tut.
„Dieser Stern besitzt nicht nur die hohe Geschwindigkeit, die durch den Rückstoß einer Supernovaexplosion zu erwarten wäre, sondern auch eine Kombination aus geringer Masse, hoher Leuchtkraft und einer kohlenstoffreichen Zusammensetzung, die für einen einzelnen Stern unmöglich erscheint. Das ist ein schlagender Beweis, der zeigt, dass dieser Stern ursprünglich zusammen mit einem Begleitstern entstanden sein muss“, ergänzt Ben Ritchie von der Open Univerity, Koautor des neuen Fachartikels.
Diese Entdeckung erlaubte es den Astronomen, die Lebensgeschichte des Sterns zu rekonstruieren, die die Entstehung des Magnetars anstelle des zu erwartenden schwarzen Lochs ermöglichte. Im ersten Teil dieses Prozesses geht in dem massereicheren Stern des Paares der Brennstoff zur Neige. Er überträgt seine äußeren Schichten auf den masseärmeren Begleitstern, der dazu bestimmt ist ein Magnetar zu werden und der daraufhin beginnt immer schneller zu rotieren. Diese schnelle Rotation scheint die essentielle Zutat für die Entstehung des extrem starken Magnetfeldes eines Magnetars zu sein.
Im nächsten Schritt wird der Begleitstern als Konsequenz dieses Massentransfers selbst so schwer, dass er seinerseits eine große Menge der kürzlich gewonnen Masse abstößt. Ein Großteil dieser Materie geht verloren, aber etwas davon wird wieder auf den ursprünglichen Stern übertragen, den wir heute noch als Westerlund 1-5 leuchten sehen.
„Es ist dieser Austauschprozess von Materie, der Westerlund 1-5 seine einzigartige chemische Signatur verliehen hat und die Masse seines Begleitsterns soweit schrumpfen lies, dass sich ein Magnetar anstelle eines schwarzen Lochs bildete. Ein stellares Materieballspiel mit kosmischen Konsequenzen!“, schließt Gruppenmitglied Francisco Najarro vom Centro de Astrobiologia in Spanien.
Es scheint, dass Teil eines Doppelsternsystems zu sein eine fundamentale Zutat des Rezepts für die Entstehung eines Magnetars ist. Die schnelle Rotation, die durch den Massentransfer zwischen den zwei Sternen entsteht, scheint notwendig zu sein, um die extrem starken auftretenden Magnetfelder zu erzeugen. Ein weiterer Massentransfer erlaubt es dem zukünftigen Magnetar, ausreichend leicht zu werden, um zum Zeitpunkt seines Todes nicht zu einem schwarzen Loch zu kollabieren.
ESO / DE