15.07.2021

Wie freie Elektronen Photonen fangen

Erstmals gelingt Beobachtung, wie freie Elektronen in einer Flüssigkeit Energie aus Laserlicht absorbieren.

Bei der Untersuchung und Entwicklung von Materialien sind der Blick auf das ganz Kleine und ganz Schnelle entscheidend. Die notwendige räumliche Auflösung für Untersuchungen im (sub-)atomaren Bereich ist mit elektronen­mikroskopischen Methoden erreichbar. Schwierig ist es aber mit der Geschwindigkeit: Die schnellsten Prozesse in Festkörpern dauern nur wenige Femtosekunden. Dafür ist die Zeit­auflösung herkömmlicher Elektronen­mikroskope zu gering. Um die Zeitdauer der Elektronen­pulse zu verbessern, müssten Elektronen innerhalb eines kürzeren Zeit­fensters selektiert werden.

 

Abb.: Leonhard Treiber, hier mit Doktorvater Markus Koch (rechts) machte die...
Abb.: Leonhard Treiber, hier mit Doktorvater Markus Koch (rechts) machte die Entdeckung im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der TU Graz. (Bild: Lunghammer, TU Graz)

Diese zeitliche Selektion ist prinzipiell mit extrem kurzen Laserpulsen möglich. Das Verfahren nennt sich Laser-Assisted Electron Scattering (LAES, laser­unterstützte Elektronen­streuung). Dabei können Elektronen während eines Stoßes mit Atomen der Materialprobe aus dem eingestrahlten Lichtfeld Energie aufnehmen. „Strukturinformationen liefern alle Elektronen – aber jene, die ein höheres Energieniveau aufweisen, können dem Zeitfenster zugeordnet werden, in dem der Lichtpuls eingestrahlt wurde. Mit dieser Methode ist es möglich, aus dem langen Elektronenpuls ein kurzes Zeitfenster heraus­zunehmen und damit die Zeitauflösung zu verbessern“, erklärt Markus Koch, Professor am Institut für Experimentalphysik der TU Graz. Bisher wurden solche Prozesse jedoch, obwohl seit rund fünfzig Jahren untersucht, nur in der Gasphase beobachtet.

Markus Koch und sein Team haben nun in Zusammenarbeit mit Forschern des Instituts für Photonik der TU Wien und dem Institut für Chemie der Tokyo Metropolitan University erstmals demonstriert, dass die laser­unterstützte Elektronen­streuung auch in kondensierter Materie, konkret in supraflüssigem Helium, beobachtet werden kann.

Die Grazer Forscher führten das Experiment in einem supraflüssigen Heliumtröpfchen mit nur wenigen Nanometern Durchmesser (3 bis 30 Nanometer) durch, in das sie einzelne Atome (Indium und Xenon) oder Moleküle (Aceton) einbrachten, die als Elektronenquelle fungierten – eine am Institut bereits vielfach erprobte Technik. „Die freien Elektronen können sich im Tröpfchen hervorragend bewegen und nehmen im Lichtfeld mehr Energie auf, als sie durch Stöße mit den Helium­atomen abgeben“, so Leonhard Treiber, Doktorand bei Markus Koch und für die Arbeit verantwortlich. Diese Beschleunigung ermöglicht die Beobachtung von sehr viel schnelleren Elektronen.

Die Interpretation der Experimente gelang in Kooperation mit Markus Kitzler-Zeiler, einem Experten für Starkfeldprozesse der TU Wien. Zur Validierung des Effekts wurden die Wechselwirkungen vom Simulations­experten der Tokyo Metropolitan University Reika Kanya unter den gleichen Bedingungen wie im Experiment simuliert.

In Zukunft soll der Prozess an dünnen Schichten verschiedener Materialien, die ebenfalls in Heliumtröpfchen hergestellt werden können, untersucht werden, um wichtige Parameter für solche Versuche zu ermitteln: etwa die optimale Schichtdicke oder die Intensität der Laserpulse für einen Einsatz in einem Elektronen­mikroskop.

TU Graz / DE

 

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