27.02.2018

Wie ins Atom noch mehr Atome passen

Neuartiger Materiezustand: Elektron umkreist Atom­kern in großem Abstand.

Was befindet sich zwischen einem Atomkern und dem Elektron, das ihn umkreist? Normaler­weise nichts, doch das muss nicht so sein. Wenn der Abstand zwischen Elektron und Atom­kern groß genug ist, haben dazwischen noch weitere Atome Platz. So kann ein „Riesen­atom“ ent­stehen, das mit gewöhn­lichen Atomen gefüllt ist. Gemein­sam gehen sie eine schwache Bindung ein und erzeugen damit einen neuen exo­tischen Materie­zustand bei extrem kalten Tempe­ra­turen, Ryd­berg-Pola­ronen genannt.

Abb.: Das Elektron (blau) kreist um den Atom­kern (rot) und schließt auf seiner Bahn zahl­reiche Atome des Bose-Ein­stein-Konden­sats (grün) ein. (Bild: TU Wien)

Ein internationales präsentiert jetzt diesen neuartigen Materie­zustand. Es sind zwei Extrem­bereiche der Atom­physik, die in diesem Forschungs­projekt ver­eint wurden: Bose-Ein­stein-Konden­sate und Ryd­berg-Atome. Ein Bose-Ein­stein-Kondensat ist ein Materie­zustand, den bestimmte Atome bei ultra­kalten Tempe­ra­turen knapp über dem abso­luten Null­punkt annehmen können. Als Rydberg-Atome bezeichnet man Atome, bei denen sich ein ein­zelnes Elektron in einem energie­reichen, hoch ange­regten Zustand befindet und sehr weit vom Atom­kern entfernt seine Bahn zieht.

„Der mittlere Abstand eines solchen Elektrons zu seinem Atom­kern kann hunderte Nano­meter betragen – das ist mehr als das Tausend­fache vom Radius eines Wasser­stoff­atoms“, erklärt Joachim Burg­dörfer von der TU Wien. Aus einer lang­jährigen Koopera­tion von Burg­dörfer und seinem Kollegen Shuhei Yoshida mit der Rice Uni­ver­sity in Houston, USA, ent­wickelte sich die Idee für das aktu­elle Forschungs­projekt.

Erzeugt wurde zunächst ein Bose-Einstein-Kondensat aus Strontium-Atomen. Einem dieser Atome wurde dann mit einem Laser Energie zuge­führt, um es zum Rydberg-Atom zu machen. Das Ver­blüf­fende daran: Die Bahn, auf der sich das Rydberg-Elektron mit sehr geringer Geschwin­dig­keit bewegt, ist viel größer als der typische Abstand zwischen zwei benach­barten Atomen. Das Elektron umkreist also nicht nur den eigenen Atom­kern, auch zahl­reiche andere Atome liegen inner­halb seiner Bahn. Je nach Radius des Rydberg-Atoms und Dichte des Bose-Ein­stein-Konden­sats befinden sich dort bis zu 160 weitere Strontium-Atome.

Das Elektron des Rydberg-Atoms wird durch diese zusätz­lichen Atome aller­dings auf seiner großen Umlauf­bahn kaum gestört. „Diese Atome sind elek­trisch neutral, daher üben sie nur eine sehr geringe Kraft auf das Elektron aus“, sagt Yoshida. In mini­malem Ausmaß spürt das Elektron aber doch den Ein­fluss der neutralen Atome, denen es auf seiner Bahn begegnet. Es wird von ihnen ein bisschen gestreut – ohne dabei aller­dings jemals seine Bahn zu ver­lassen. Die Quanten­physik lang­samer Elek­tronen erlaubt solche Streuung, bei der sich am Zustand des Elektrons nichts ändert.

Wie man in Computersimulationen zeigen kann, wird durch diese verhältnis­mäßig schwache Wechsel­wirkung die Energie des Gesamt­systems ver­ringert und so ein Bindungs­zustand zwischen dem Rydberg-Atom und den anderen Atomen im Inneren der Elek­tronen-Kreis­bahn stellt sich ein. „Es ist eine sehr unge­wöhn­liche Situa­tion“, sagt Yoshida. „Normaler­weise hat man es in der Atom­physik mit gela­denen Atom­kernen zu tun, die Elek­tronen an sich binden. Hier haben wir ein Elektron, das neutrale Atome bindet.“

Diese Bindung ist viel schwächer als etwa die Bindung zwischen den Atomen in einem Kristall. Daher ist dieser exo­tische Bindungs­zustand, den man als Rydberg-Polaron bezeichnet, auch nur bei extrem tiefen Tempe­ra­turen zu beob­achten. Würden sich die Teil­chen schneller bewegen, würde diese Bindung sofort auf­brechen. „Für uns ist dieser neue, schwach gebundene Materie­zustand eine spannende Möglich­keit, die Physik ultra­kalter Atome besser zu ver­stehen“, sagt Burg­dörfer. „So kann man Eigen­schaften eines Bose-Ein­stein-Konden­sats auf sehr kleinen Skalen präzise bestimmen.“

TU Wien / RK

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