29.04.2016

Wie kollidierende Polymere Bakterien teilen

Selbstorganisation führt zur Bildung rotie­render Ringe.

Bakterien vermehren sich mithilfe eines Proteinrings, der sich in der Zell­mitte wie ein Gummi­band zusammen­zieht und die Mutter­zelle in zwei Tochter­zellen teilt. Physiker der Uni München haben mithilfe mathe­ma­tischer Modelle unter­sucht, welche Mecha­nismen die Ent­stehung dieses Z-Rings steuern. Dabei haben die Forscher einen ganz neuen Mecha­nismus der Muster­bildung entdeckt: Die Simu­la­tionen zeigen, dass sich die ring­bildenden Proteine von einer bestimmten Molekül­dichte an selbst organi­sieren und zu Ringen zusammen­schließen. „Aus bio­lo­gischer Sicht ist das hoch inte­ressant, weil es ein völlig neues Licht auf die bisher nicht ver­standene Dynamik der bakte­riellen Zell­teilung wirft“, sagt Team-Leiter Erwin Frey.

Abb.: Die Kreisbewegung der gekrümmten Poly­mere und ihre Kolli­sionen mit­ein­ander führen ab einer be­stimmten Teil­chen­zahl zur Bildung ring­förmiger Cluster. (Bild: C. Hohmann, NIM)

Der Z-Ring besteht aus FtsZ-Proteinen, die sich zu gekrümmten Polymeren zusammen­schließen, wie Experi­mente auf künst­lichen Membranen zeigten. Diese Polymere können ihre Position verändern, indem einzelne Protein­bau­steine aktiv um­verteilt werden: Am Anfang des Proteins werden neue Bau­steine angebaut, während am Polymer­ende Proteine wieder entfernt werden. Durch diesen Tret­mühlen­effekt scheint das Polymer über die Membran zu kriechen. „Unter bestimmten Versuchs­be­dingungen bilden die Polymere nach einiger Zeit Cluster, die sich zu rotie­renden Ringen zusammen­schließen“, sagt Team-Mit­glied Jonas Denk. „Inte­res­santer­weise haben diese Ringe in etwa den Durch­messer einer Bakterien­zelle.“

Den Wissenschaftlern gelang es nun, diesen ungewöhnlichen Effekt mithilfe von mathe­ma­tischen Modellen zu simu­lieren, die die Krümmung der Polymere und ihre damit verbundene Kreis­bewegung berück­sichtigen. Als weiterer Para­meter ging in die Simu­lation ein, dass sich die Polymere gegen­seitig abstoßen, es also kein Über­ein­ander­laufen der Polymere gibt. Die zentrale Frage war, welcher Mecha­nismus die Bildung der ring­förmigen Muster antreibt. Die Simu­la­tionen haben gezeigt, dass die Dichte der Polymere der ent­scheidende Faktor ist: Sind nur wenige Teil­chen vor­handen, gibt es kaum Wechsel­wirkungen und die einzelnen Polymere bleiben von­ein­ander sepa­riert. Steigt die Teil­chen­zahl jedoch, kolli­dieren die Polymere mit­ein­ander. Als Folge der Kolli­sionen und der Kreis­bewegung der einzelnen gekrümmten Polymere gruppieren sich die Polymere dann zu Clustern zusammen, die einen dichten rotie­renden Ring bilden.

Nach Ansicht der Wissenschaftler legen ihre Ergebnisse nahe, dass auch die Bildung des Z-Rings in Bakterien­zellen auf dieser Selbst­orga­ni­sation der FtsZ-Polymere beruht – dass also die Protein­dichte auch in lebenden Zellen die treibende Kraft ist, über die die Zelle die Ring­bildung steuert. Ein solches sich selbst antrei­bendes System wäre ein völlig neu­artiger Mecha­nismus der Ring­bildung, der sich grund­legend davon unter­scheidet, wie etwa in eukary­otischen Zellen Zell­wände abge­schnürt werden: „Dort sind für diesen Prozess bestimmte Motor­proteine essen­ziell, die sich an die Zell­wände anheften und richtig ziehen“, sagt Denk. Zusätz­lich zu ihrer bio­lo­gischen Bedeutung sind die Ergebnisse auch aus mathe­matisch-physi­ka­lischer Sicht hoch inte­ressant. Die Phäno­meno­logie des Modells unter­scheidet sich stark von konven­tio­nellen Klassen ange­triebener oder aktiver Teilchen. Seine mathe­matische Beschreibung führt zu einer ver­all­gemei­nerten Version einer komplexen Gleichung, die im Zusammen­hang mit Phäno­menen wie der bakte­riellen Turbulenz und der Muster­bildung in all­ge­meinen, nicht­linearen Systemen eine Rolle spielt.

LMU / RK

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