Wie kosmische Spiralen entstehen
Dichtewellentheorie für Spiralgalaxien erstmals direkt getestet.
Wie die Spiralarme von scheibenförmigen Galaxien genau entstehen, ist immer noch eine offene Frage. Zumindest im Falle von Galaxien mit zwei deutlich erkennbaren, zueinander symmetrischen Spiralarmen gehen die Astrophysiker heute aber davon aus, dass es sich bei ihnen um das Produkt von in der Scheibe umlaufenden Dichtewellen handelt. Dichtewellen wurden bereits 1925 von dem schwedischen Astronomen Bertil Lindblad als Ursache der Spiralstruktur ins Spiel gebracht. Doch erst in den 1960er Jahren gelang es den chinesischen Astrophysikern Frank Chu und Chia-Chiao Lin, eine solide Theorie dafür aufzustellen. Großräumige Dichteschwankungen können demnach ohne zusätzliche Anregung von außen zur Ausbildung eines wellenförmigen Musters führen, das mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um das Galaxienzentrum kreist.
Abb.: Die 400 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie UGC 3825. (Bild: SDSS)
Die Spiralarme sind in diesem Modell keine gebundenen Strukturen aus Sternen – die ohnehin dynamisch aufgrund der differentiellen Rotation instabil wären – sondern entsprechen den Wellenbergen der Dichtewellen, also jene Regionen, in denen die Dichte erhöht ist. Die höhere Dichte triggert den Kollaps von Molekülwolken und führt so zu einer signifikanten Zunahme der Sternentstehung. Diese Sternentstehungsregionen mit ihren vielen jungen hellen Sterne lassen die Wellenberge der Dichtewellen dann von außen betrachtet als Spiralarme in Erscheinung treten.
Prinzipiell wäre es möglich, die Dichtewellentheorie zu überprüfen, in dem man die Winkelgeschwindigkeit misst, mit der die Sternentstehungsregionen sich bewegen – denn diese sollte unabhängig vom Abstand zum Galaxienzentrum sein. Eine solche Messung ist jedoch schwierig, da die Winkelgeschwindigkeit der Dichtewelle nicht direkt mit beobachtbaren Größen wie etwa den stellaren Geschwindigkeiten korreliert ist. Thomas Peterken von der University of Nottingham in Großbritannien und seinen Kollegen folgten daher einem anderen Weg, um am Beispiel einer besonders ausgeprägten Spiralgalaxie – der etwa 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie UGC 3825 –, die Dichtewellentheorie zu überprüfen.
Die neu entstandenen Sterne bewegen sich durch ihre Eigenbewegung vom Maximum der Dichtewelle weg, so die Überlegung der Forscher, wobei diese Bewegung sowohl von den relativen Geschwindigkeiten der Sterne als auch von der lokalen Geschwindigkeit der Dichtewelle abhängt. Aus dem Abstand zwischen Sternen unterschiedlichen Alters und der aktuellen Position des Maximums der Dichtewelle lässt sich daher die Geschwindigkeit der Dichtewelle ableiten. UGC 3825 ist nicht nur aufgrund ihrer ausgeprägten Spiralstruktur für diese Untersuchung besonders geeignet, sondern auch, weil es sich bei ihr um ein Objekt handelt, das im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey am Apache Point Observatory in den USA hochaufgelöst spektroskopiert worden war.
In einem komplexen Verfahren modellierten Peterken und seine Kollegen die Spektren an einer großen Zahl von Stellen in der Galaxie durch unterschiedliche Altersverteilungen der Sterne. So gelang es ihnen, die Bewegung der Sterne unterschiedlichen Alters zu ermitteln und daraus dann auf die Geschwindigkeit der Dichtewelle zu schließen. Wie sich zeigte, hängt die Winkelgeschwindigkeit der Dichtewelle nicht merklich vom Abstand vom Galaxienzentrum ab – genau, wie es die Dichtewellentheorie vorhersagt. „Zumindest für UGC 3825 ist die beobachtete Spiralstruktur also konsistent mit einer Entstehung durch eine quasistationäre Dichtewelle“, so die Wissenschaftler. Weitere Beobachtungen an anderen Galaxien könnten künftig ein komplettes Bild dieses Prozesses liefern. Mehr noch: Die Dichtewellentheorie kann zwar nicht die Spiralstruktur für alle unterschiedlichen Galaxientypen erklären. Aber die neue Methode macht es nach Ansicht des Teams möglich, auch andere physikalische Prozesse, die zur Entstehung von Spiralarmen führen könnten, durch hochaufgelöste spektroskopische Beobachtungen zu überprüfen.
Rainer Kayser
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