12.11.2018

Wie kosmische Spiralen entstehen

Dichtewellentheorie für Spiralgalaxien erstmals direkt getestet.

Wie die Spiralarme von scheiben­förmigen Galaxien genau entstehen, ist immer noch eine offene Frage. Zumindest im Falle von Galaxien mit zwei deutlich erkenn­baren, zueinander symme­trischen Spiralarmen gehen die Astro­physiker heute aber davon aus, dass es sich bei ihnen um das Produkt von in der Scheibe umlaufenden Dichte­wellen handelt. Dichte­wellen wurden bereits 1925 von dem schwe­dischen Astro­nomen Bertil Lindblad als Ursache der Spiral­struktur ins Spiel gebracht. Doch erst in den 1960er Jahren gelang es den chine­sischen Astro­physikern Frank Chu und Chia-Chiao Lin, eine solide Theorie dafür aufzustellen. Groß­räumige Dichteschwankungen können demnach ohne zusätzliche Anregung von außen zur Ausbildung eines wellen­förmigen Musters führen, das mit konstanter Winkel­geschwindigkeit um das Galaxien­zentrum kreist.

Abb.: Die 400 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie UGC 3825. (Bild: SDSS)

Die Spiralarme sind in diesem Modell keine gebundenen Strukturen aus Sternen – die ohnehin dynamisch aufgrund der differen­tiellen Rotation instabil wären – sondern entsprechen den Wellen­bergen der Dichtewellen, also jene Regionen, in denen die Dichte erhöht ist. Die höhere Dichte triggert den Kollaps von Molekül­wolken und führt so zu einer signi­fikanten Zunahme der Stern­entstehung. Diese Sternent­stehungsregionen mit ihren vielen jungen hellen Sterne lassen die Wellen­berge der Dichte­wellen dann von außen betrachtet als Spiralarme in Erscheinung treten.

Prinzi­piell wäre es möglich, die Dichtewellen­theorie zu überprüfen, in dem man die Winkelge­schwindigkeit misst, mit der die Stern­entstehungs­regionen sich bewegen – denn diese sollte unabhängig vom Abstand zum Galaxien­zentrum sein. Eine solche Messung ist jedoch schwierig, da die Winkel­geschwindigkeit der Dichte­welle nicht direkt mit beobacht­baren Größen wie etwa den stellaren Geschwindig­keiten korreliert ist. Thomas Peterken von der University of Nottingham in Groß­britannien und seinen Kollegen folgten daher einem anderen Weg, um am Beispiel einer besonders ausge­prägten Spiral­galaxie – der etwa 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie UGC 3825 –, die Dichtewellen­theorie zu überprüfen.

Die neu entstandenen Sterne bewegen sich durch ihre Eigen­bewegung vom Maximum der Dichtewelle weg, so die Überlegung der Forscher, wobei diese Bewegung sowohl von den relativen Geschwin­digkeiten der Sterne als auch von der lokalen Geschwin­digkeit der Dichtewelle abhängt. Aus dem Abstand zwischen Sternen unter­schiedlichen Alters und der aktuellen Position des Maximums der Dichtewelle lässt sich daher die Geschwin­digkeit der Dichtewelle ableiten. UGC 3825 ist nicht nur aufgrund ihrer ausge­prägten Spiral­struktur für diese Unter­suchung besonders geeignet, sondern auch, weil es sich bei ihr um ein Objekt handelt, das im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey am Apache Point Obser­vatory in den USA hochaufgelöst spektro­skopiert worden war.

In einem komplexen Verfahren model­lierten Peterken und seine Kollegen die Spektren an einer großen Zahl von Stellen in der Galaxie durch unter­schiedliche Alters­verteilungen der Sterne. So gelang es ihnen, die Bewegung der Sterne unter­schiedlichen Alters zu ermitteln und daraus dann auf die Geschwin­digkeit der Dichte­welle zu schließen. Wie sich zeigte, hängt die Winkelgeschwin­digkeit der Dichtewelle nicht merklich vom Abstand vom Galaxien­zentrum ab – genau, wie es die Dichte­wellentheorie vorhersagt. „Zumindest für UGC 3825 ist die beobachtete Spiral­struktur also konsistent mit einer Entstehung durch eine quasi­stationäre Dichtewelle“, so die Wissen­schaftler. Weitere Beobach­tungen an anderen Galaxien könnten künftig ein komplettes Bild dieses Prozesses liefern. Mehr noch: Die Dichtewellen­theorie kann zwar nicht die Spiral­struktur für alle unter­schiedlichen Galaxientypen erklären. Aber die neue Methode macht es nach Ansicht des Teams möglich, auch andere physi­kalische Prozesse, die zur Entstehung von Spiral­armen führen könnten, durch hochauf­gelöste spektro­skopische Beobach­tungen zu überprüfen.

Rainer Kayser

JOL

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