01.12.2011

Wie lange leben Elektronen in Graphen?

Wissenschaftler haben mit einem Freie-Elektronen-Laser die Lebensdauer von Elektronen in Graphen in niedrigen Energiebereichen bestimmt.

Viele Forschergruppen weltweit arbeiten daran, die grundlegenden physikalischen Eigenschaften von Graphen besser zu verstehen und damit zukunftsträchtige elektronische und optoelektronische Anwendungen, wie Transistoren und schnelle Detektoren zur optischen Datenübertragung, zu ermöglichen. Graphen – eine einlagige Kohlenstoffschicht, deren Atome wie in einer Bienenwabe sechseckig angeordnet sind – ist zudem als transparentes Elektrodenmaterial für Flachbildschirme und Solarzellen hochinteressant.

Abb.: Untersuchung von Graphen mit dem Freie-Elektronen-Laser. (Bild: HZDR)


Stephan Winnerl und seinen Kollegen vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) ist es gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin, des Grenoble High Magnetic Field Laboratory und des Georgia Institute of Technology, USA, gelungen, die „Lebensdauer“ von Elektronen in Graphen in niedrigen Energiebereichen zu bestimmen. Die waren bisher nicht erforscht.

Das für Festkörper charakteristische Verhalten der Elektronen in bestimmten Energiebereichen ist eine von vielen physikalischen Eigenschaften, in denen sich Graphen fundamental von den meisten anderen Materialien unterscheidet: normalerweise können Elektronen nur bestimmte Energieniveaus in Energiebändern annehmen. Dazwischen klaffen energetische Lücken.

Graphen verhält sich anders als andere Halbleiter: hier berühren sich die Energiebänder, ohne dass eine Lücke auftritt. Statt Licht abzugeben besitzt Graphen die Fähigkeit, Strahlung niedriger Energien unterhalb des sichtbaren Spektrums, wie Terahertz- und Infrarotstrahlung, zu absorbieren, sodass es sich bestens als Material für Detektoren eignet.

Um neue schnelle elektronische und optoelektronische Bauteile auf Basis von Graphen entwickeln zu können, muss genau bekannt sein, wie lange Elektronen auf bestimmten Energieniveaus verweilen. Zur Untersuchung solcher Prozesse, die sich im Pikosekundenbereich abspielen sind sehr schnelle Beobachtungsmethoden notwendig.

Am Dresdner Helmholtz-Zentrum haben Forscher Graphenproben erstmals mit längerwelligem Licht als bisher bestrahlt. Möglich wurde dies durch die kurzen Strahlungspulse aus dem Freie-Elektronen-Laser (FEL) am HZDR. Dadurch konnten die Forscher die Lebensdauer der Elektronen in der Nähe des Berührungspunktes der Energiebänder, der die physikalische Besonderheit von Graphen ausmacht, untersuchen.

Mithilfe des FEL wurden die Graphenproben mit Licht unterschiedlicher Wellenlängen im Infrarotbereich angeregt. Die Forscher stellten fest, dass die Energie der Lichtteilchen, mit denen die Elektronen stimuliert werden, und die Schwingungen des Atomgitters die Lebensdauer der Elektronen beeinflussen: wenn die Energie der Lichtteilchen größer ist als die Energie der Gitterschwingungen, ändern die Elektronen schneller ihren Energiezustand und haben eine kürzere Lebensdauer. Umgekehrt verweilen die Elektronen länger auf einem Energieniveau, wenn die Anregungsenergie kleiner ist als die der Gitterschwingungen.

Die experimentell gewonnenen Ergebnisse werden durch Modellrechnungen an der TU Berlin untermauert. Diese erlauben eine klare Zuordnung der experimentellen Daten zu physikalischen Mechanismen in Graphen. Die Forscher tragen somit zu einem besseren Verständnis der elektronischen und optischen Eigenschaften von Graphen bei.

HZDR / PH

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