06.09.2010

Wie lange strahlt Selen-79?

Wissenschaftler bestimmen Halbwertszeit des Selen-Isotops genauer als bislang möglich.

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Wissenschaftler bestimmen Halbwertszeit des Selen-Isotops genauer als bislang möglich.

Um die Sicherheit eines Endlagers für nukleare Abfälle abschätzen zu können, ist es wichtig, die Halbwertszeiten der radioaktiven Bestandteile des Atommülls möglichst genau zu kennen. Die Halbwertszeit gibt die Zeitspanne an, nach der die Menge eines radioaktiven Elements auf die Hälfte gesunken und in andere Atome zerfallen ist. Sie kann je nach der Zusammensetzung des nuklearen Abfalls Jahrzehnte oder auch Jahrmillionen betragen. Eines der Nuklide, die in schwach- und mittelaktiven Abfällen vorkommen, ist das Isotop Selen-79. Bisherige Bestimmungen seiner Halbwertszeit variierten stark zwischen 124 000 Jahren und 1 130 000 Jahren. Um eine genauere Aussage darüber treffen zu können, wie lange nuklearer Abfall, der dieses Isotop enthält, voraussichtlich strahlt, haben sich Forscher verschiedener Institute zusammengeschlossen: Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, des Lehrstuhls für Radiochemie der TU München, des Instituts für Transurane in Karlsruhe und des Paul-Scherrer Instituts in Villingen (Schweiz) haben die Halbwertszeit von Selen-79 nun mit verbesserter Messunsicherheit neu bestimmt. Sie ermittelten eine Halbwertszeit von 327 000 Jahren.

Abb.: Daten zur Halbwertszeit von Selen-79, die in der jüngeren Vergangenheit veröffentlicht wurden (gestrichelt: ermittelte Halbwertszeit; senkrechte, durchgezogene Balken darin: Messunsicherheit). Die aktuell bestimmte Halbwertszeit hat eine deutlich kleinere Messunsicherheit als frühere Ergebnisse.

(Bild: PTB)

 

Das radioaktive Isotop Selen-79 ist ein Betastrahler und zerfällt unter Emission von Elektronen zu Brom-79. Eine große Herausforderung bei der Bestimmung der Halbwertszeit war, Verunreinigungen durch andere radioaktive Stoffe in der Probe möglichst gering zu halten. Denn das Ausgangmaterial für die Untersuchung war eine hochradioaktive Spaltproduktlösung aus abgebranntem Kernbrennstoff, die nur eine geringe Menge an Selen-79 enthielt. Zur Trennung wurde unter anderem der Reinsch-Test angewandt, der ursprünglich in der Forensik zum Nachweis von Selen, Arsen oder auch Quecksilber entwickelt wurde und bisher in radiochemischen Analysen kaum Verwendung fand. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern, eine Selen-79-Lösung mit sehr hoher radiochemischer Reinheit zu erhalten.

Anhand dieser Lösung wurde die Halbwertszeit über die Anzahl der Selen-79-Kerne und ihre Aktivität bestimmt. Diese wurde in der PTB mit Hilfe der Flüssigszintillationszählung gemessen. Die radioaktive Strahlung löst dabei in einem sogenannten Szintillator Lichtblitze aus, die mit empfindlichen Detektoren gezählt werden können. Die Vorteile dieser Methode sind, dass auch geringe Aktivitäten gut bestimmt und kleine Messunsicherheiten erreicht werden können. Das Ergebnis liegt mit einer Halbwertszeit von 327 000 Jahren deutlich unter dem bisher gemessenen Höchstwert von 1 130 000 Jahren. Die Messunsicherheit wurde mit einem Wert von 8 000 Jahren gegenüber früheren Ergebnissen verbessert.

Selen-79 ist damit eines von zahlreichen langlebigen Radionukliden, deren Halbwertszeiten in den letzten Jahren in der PTB genauer gemessen werden konnten. Erst kürzlich gelang die bisher genauste Bestimmung der Halbwertszeit von Beryllium-10, das für die Erforschung der Klimahistorie genutzt wird. Auch die für Geochronologen wichtigen "Uhren" Kalium-40, Rubidium-87 und Samarium-147 konnten die PTB-Forscher genauer stellen: Anhand der Halbwertszeiten dieser Isotope kann die Entstehungszeit von Gesteinen und Sedimenten berechnet werden, um Aussagen über wichtige Ereignisse der Erdgeschichte zu treffen. Die Halbwertszeiten dieser Isotope betragen bis zu 107 Milliarden Jahren.

Physikalisch-Technische Bundesanstalt

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