21.11.2019 • Quantenphysik

Wie Quantensysteme zur Ruhe kommen

Interne Wechselwirkungen und Verschränkungen sorgen für Besonderheiten beim Erreichen von Gleichgewichtszuständen.

In der klassischen Physik sind die Dinge wohlgeordnet. Nicht nur lassen sich Messgrößen wie Ort und Impuls eines Objekts gleich­zeitig bestimmen, sondern auch die Zeit­entwick­lung einer Vielzahl von Teilchen ist gut verstanden. Nach den Haupt­sätzen der Thermo­dynamik kann die Entropie eines Systems nie abnehmen. Als Maß für die Unordnung eines Systems kann sie nur zunehmen oder, wenn schließlich ein Gleich­gewichts­zustand erreicht ist, konstant bleiben. In der Quanten­welt mitsamt ihren Quanten­fluktua­tionen und Verschränkung­szuständen sieht das Ganze jedoch deutlich kompli­zierter aus, weshalb eine befrie­digende Theorie zur Entstehung von Gleich­gewichts­zuständen im Quanten­bereich noch aussteht. Denn die quanten­typischen Eigen­heiten lassen sich nicht einfach in den bekannten klassisch-thermo­dynamischen Formalismus integrieren.

Abb.: Der thermodynamische Zeitpfeil lässt sich nicht umkehren. Das gilt auch...
Abb.: Der thermodynamische Zeitpfeil lässt sich nicht umkehren. Das gilt auch im Mikrokosmos. (Bild: J. Tycho / APS)

In der Welt der klassischen Physik zeichnet die Entropie einen Zeitpfeil aus, der durch die stetige Zunahme der Unordnung eines sich selbst über­lassenen Systems gekenn­zeichnet ist. Obwohl die Bewegungs­gleichungen selbst zeit­symmetrisch sind, folgt aus der Wechsel­wirkung vieler Teilchen mit statis­tischer Not­wendig­keit, dass sich ein solches System zu einem Zustand höherer Unordnung und Entropie bewegt. Im Quanten­kosmos ist die gesamte Dynamik, die mit diesen Fragen zusammen­hängt, aber bislang nicht gut verstanden. Zwei Forscher­teams haben deshalb nun auf verschiedene Weise die Dynamik solcher Quanten­systeme untersucht, um neues Licht auf das Verständnis des Zeitpfeils im Mikro­kosmos zu werfen und um die funda­men­talen Fragen zur Heraus­bildung quanten­typischer Gleich­gewichts­zustände zumindest ein Stück weit zu beant­worten.

Krzysztof Ptaszyński von der Polnischen Akademie der Wissen­schaften und Massi­miliano Esposito von der Univer­sität Luxem­burg unter­suchten ein spezielles Problem, bei dem ein vergleichs­weise kleines Quanten­system an ein deutlich größere externes Wärme­reservoir gekoppelt war. Es handelte sich also um ein typisches offenes Quanten­system. Wie die Forscher heraus­fanden, lässt sich hier die Zunahme der Entropie in zwei funda­mental unter­schied­liche Mechanismen aufteilen.

Einerseits stieg sie, weil sich zwischen dem Quanten­system und dem Wärmebad Korrela­tionen heraus­bilden. Das entspricht in etwa der Quanten­variante des klassischen Analogons. Es tritt anderer­seits aber auch ein weiterer Faktor auf, der davon abhängt, wie stark das Wärmebad durch die Wechsel­wirkung mit dem Quanten­system selbst aus dem Gleich­gewichts­zustand gerät. Interes­santer­weise oszilliert die Stärke dieses Beitrags zur Entropie­zunahme mit der Zeit, nimmt aber meistens im Lauf der Zeit nicht zu. Daraus folgt eine wichtige Beobachtung: Wenn man bestimmt, wie stark sich das Wärmebad selbst aus seinem thermischen Gleich­gewicht entfernt hat, lässt sich daraus auch ermitteln, wie weit sich das Quanten­system ungefähr noch von seinem Gleich­gewichts­zustand befindet. Wie die Forscher berichten, ist aber noch nicht ganz klar, inwieweit sich diese Ergebnisse extra­polieren lassen, wenn man bestimmte Annahmen ihres theore­tischen Modells verändert. So könnten etwa zusätz­liche Freiheits­grade oder periodische Unter­brechungen beim Wärme­fluss die Angelegen­heit nochmals kompli­zierter erscheinen lassen.

Das zweite Forscherteam, Henrik Wilming von der ETH Zürich und Kollegen von der FU Berlin, untersuchte ein abge­schlossenes Quanten­system, wobei der dazu­gehörige Hamilton­operator einige besondere Symmetrien aufwies. Die Forscher wollten insbesondere analysieren, inwieweit eine gängige Annahme bisheriger Theorien notwendig war. So ging man bislang davon aus, dass sich in einem isolierten Quanten­system nur dann ein Gleich­gewicht heraus­bilden kann, wenn der Ausgangs­zustand eine Mischung energe­tischer Zustände beinhaltet. Nach den Berechnungen des Teams reichen jedoch wesentlich schwächere Bedingungen aus. Statt­dessen ist es schon hinreichend, wenn bestimmte Quanten­korrela­tionen vorliegen, damit ein solches System hin zu einem Gleich­gewichts­zustand relaxiert.

Aus diesen Betrachtungen folgt, dass eine wesentlich größere Anzahl von Quanten­systemen in der Lage ist, sich hin zu einem Gleich­gewichts­zustand zu entwickeln, als man bislang gedacht hatte. Es wird spannend sein zu sehen, wie gut sich diese theore­tischen Vorher­sagen auch experi­mentell bestätigen lassen werden. Erste Versuche hierzu sollen schon bald statt­finden.

Dirk Eidemüller

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