31.01.2012

Wie Sauerstoffmoleküle auf enorm hohe Drücke reagieren

Computersimulationen zufolge hält O2 bis zu 1,9 Terapascal stand, dann polymerisiert es – etwa im Innern von Gasplaneten.

Abb.: Bei 1,9 TPa polymerisiert Sauerstoff und nimmt eine quadratisch-spiralförmige Struktur an, die ein Halbleiter ist (oben). Steigt der Druck weiter, zeigt das Polymer metallische Eigenschaften (Struktur ähnlich einer Zickzackkette, Mitte). Schließlich verwandelt sich die Struktur in eine metallische Flächenphase (unten). Die bunten Bereiche repräsentieren die Ladungsdichte in einer Schicht der jeweiligen Struktur.
(Bild: Jian Sun)

Wie neue Computersimulationen zeigen, hält das Sauerstoff-Molekül O2 Drücken bis zu 1,9 Terapascal stand – dem 19-millionenfachen Atmosphärendruck. Bei höheren Drücken polymerisiert Sauerstoff, bildet also größere Moleküle oder Strukturen. Andere einfache Moleküle wie Stickstoff oder Wasserstoff überleben solche hohen Drücke nicht. In Kooperation mit Kollegen des University College London, der University of Cambridge und des National Research Council, Kanada berichtet Jian Sun vom Lehrstuhl für Theoretische Chemie der RUB, dass sich Sauerstoff mit steigendem Druck sehr kompliziert verhält. Seine elektrische Leitfähigkeit steigt zunächst, sinkt dann und steigt schließlich wieder an.

Eine Elektronenpaar-Doppelbindung hält die beiden Sauerstoffatome im O2-Molekül zusammen. Stickstoff, N2, besitzt dagegen eine Dreifachbindung. Man würde denken, die schwächere Doppelbindung ist leichter aufzubrechen und Sauerstoff polymersiere daher bei niedrigerem Druck als Stickstoff. Die Untersuchung weist jedoch überraschend auf das Gegenteil hin.

Im kondensierten Zustand kommen die Moleküle bei steigendem Druck näher zusammen. Offenbar stoßen sich unter diesen Bedingungen die freien Elektronenpaare der verschiedenen Moleküle gegenseitig ab. Das hindert sie daran, sich einander anzunähern. Da Sauerstoff mehr freie Elektronenpaare als Stickstoff besitzt, ist die Abstoßungskraft zwischen den Sauerstoff-Molekülen stärker, was das Polymerisieren erschwert. Allerdings kann die Anzahl der freien Elektronenpaare nicht das einzige sein, was den Druck bestimmt, bei dem die Polymerisation eintritt. Sun tippt auf eine Kombination aus der Anzahl der freien Elektronenpaare und der Stärke der Bindung zwischen den einzelnen Molekülen.

Bei hohen Drücken polymerisieren gasförmige Moleküle wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid oder Stickstoff und werden so zu Ketten, Schichten oder Netzwerkstrukturen. Gleichzeitig wandeln sie sich üblicherweise von Isolatoren in Metalle um, mit steigendem Druck werden sie also leitfähiger. Bei Sauerstoff ist es aber komplizierter: Unter Standardbedingungen hat das Molekül isolierende Eigenschaften. Steigt der Druck, metallisiert es und wird zum Supraleiter. Bei weiterem Druckanstieg wandelt sich Sauerstoff zunächst zum Halbleiter mit Polymerstruktur um. Dann nimmt er erneut metallische Eigenschaften an, seine Leitfähigkeit steigt erneut. Das metallische Polymer liegt schließlich als metallische Struktur aus vielen Schichten vor.

„Die Polymerisation kleiner Moleküle unter hohem Druck hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie hilft, die fundamentale Physik und Chemie geologischer und planetarischer Prozesse zu verstehen“, erklärt Sun. „Der Druck im Inneren von Jupiter wird zum Beispiel auf etwa sieben Terapascal geschätzt. Man hat auch herausgefunden, dass polymerisierte Moleküle, wie N2 und CO2, verblüffende Eigenschaften haben. Sie haben etwa eine hohe Energiedichte oder sind superhart.“

RUB / OD

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