Wie verschränkte Photonen robuster werden
Kriterien für geschützte Zustände in photonischen topologischen Isolatoren identifiziert.
Topologische Isolatoren – ursprünglich in Festkörpersystemen entdeckt – sind zwei-dimensionale Materialien, die streuungsfreien, unidirektionalen Transport entlang ihres Randes erlauben, sogar im Beisein von Defekten und Unordnung. Im Wesentlichen sind topologische Isolatoren endliche Kristallgittersysteme, in denen sich bei passender Terminierung des zugrundeliegenden unendlichen Gitters Randzustände bilden, welche innerhalb einer wohl-definierten Bandlücke zwischen den Volumenzuständen liegen. Mit anderen Worten, die Randzustände sind von den Volumenzuständen energetisch separiert.
Die Einzelteilchen-Randzustände in solchen System sind von herausragender Bedeutung, da diese topologisch vor Streuung geschützt sind: Sie können weder in den Festkörper streuen, da ihre Energie in der Bandlücke liegt, noch können sie rückwärts streuen, weil rückwärts propagierende Randzustände entweder nicht existieren oder nicht an die vorwärts propagierenden Zustände gekoppelt sind.
Die Realisierbarkeit komplexer Hamilton-Operatoren mithilfe integrierter photonischer Gitter, kombiniert mit der breiten Verfügbarkeit von verschränkten Photonen, eröffnet die faszinierende Möglichkeit, topologisch geschützte, verschränkte Zustände in der optischen Quanteninformationsverarbeitung zu verwenden.
Dieses Ziel zu erreichen ist jedoch nicht trivial, denn topologischer Schutz lässt sich nicht ohne weiteres auf Mehrteilchen- (Rück-)Streuung ausweiten. Zunächst erscheint dies kontraintuitiv, denn individuell ist jedes der Teilchen per Topologie beschützt, jedoch können verschränkte, korrelierte Teilchenpaare höchst anfällig gegenüber Störungen des idealen Kristallgitters sein. Das zugrundeliegende physikalische Prinzip dieser offensichtlichen Diskrepanz ist, dass quantenmechanisch gesehen identische Teilchen durch Zustände beschrieben werden, die einer Austauschsymmetrie genügen.
In ihrer Arbeit erzielen die Forscher mehrere grundlegende Fortschritte hin zu einem detaillierten Verständnis und zur Kontrolle von topologischem Schutz im Kontext von Mehrteilchenzuständen. Zunächst identifizierten sie die physikalischen Mechanismen, die eine Verwundbarkeit von verschränkten Zuständen induzieren, und formulieren klare Richtlinien, um Verschränkung zu maximieren, ohne dafür topologischen Schutz zu opfern. Dann etablierten und belegten sie ein Schwellenwert-artiges Verhalten der Verwundbarkeit von Verschränkung und finden Bedingungen für den robusten Schutz von hochgradig verschränkten Zuständen
Um genau zu sein, untersuchten sie den Einfluss von Unordnung auf ein Kontinuum von Zwei-Photonen Zuständen, welches von vollständig korrelierten bis hin zu vollständig anti-korrelierten Zuständen reicht und dabei auch komplett separable Zustände umfasst. In ihrer Analyse betrachten sie zwei topologische Gitter, ein periodisches und ein aperiodisches. Im periodischen Fall verwenden sie das hexagonale Haldane-Modell und im aperiodischen Fall ein quadratisches Gitter, welches die Einteilchendynamik des Quanten-Hall-Effektes abbildet.
Die Resultate zeichnen einen klaren Weg hin zur Erzeugung robuster Wellenpakete – maßgeschneidert für die spezifisch vorliegende Unordnung. Insbesondere finden sie Grenzen für die Stabilität von verhältnismäßig stark verschränkten Zuständen, und damit praktische Richtlinien zur Erzeugung von nützlichen verschränkten Zuständen in topologischen photonischen Systemen. Schließlich zeigen diese Ergebnisse, dass – um Verschränkung zu maximieren, ohne den topologischen Schutz zu verlieren – die spektrale Korrelationsverteilung von Zwei-Photonen Zuständen in einem wohldefinierten „Fenster des topologischen Schutzes“ liegen muss.
MBI / DE
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
K. Tschernig et al.: Topological protection versus degree of entanglement of two-photon light in photonic topological insulators, Nat. Commun. 12, 1974 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-22264-3 - Theoretical Optics and Photonics, Humboldt-Universität zu Berlin und Max-Born-Institut, Berlin