Wie warm ist es warum?
Einfache physikalische Gesetze beschreiben Temperaturen der Landoberfläche.
Strahlung bestimmt weitgehend, wie die Temperaturen auf den Kontinenten variieren, aber auch Verdunstung und turbulenter Wärmetransport spielen dabei eine Rolle. Diese Prozesse sind von Natur aus sehr komplex. Entsprechend eines neuen physikalischen Ansatzes folgen die beobachteten Temperaturen aber relativ einfachen und vorhersagbaren Mustern.
In einer neuen Studie, die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena jetzt veröffentlicht haben, wurde bestimmt, welchen Einfluss die Verdunstung und der turbulente Wärmetransport auf die Temperaturen unserer Erde haben. Die Temperaturen an Land spiegeln die Bilanz aus Erwärmung und Abkühlung wider: Die Erdoberfläche wird durch die Sonneneinstrahlung und die von der Atmosphäre zur Erde hin abgestrahlte Wärmestrahlung aufgeheizt. Letztere ist als atmosphärischer Treibhauseffekt bekannt. Demgegenüber steht die Abkühlung durch Ausstrahlung, die Verdunstung von Wasser und die Wärmeabgabe an die Atmosphäre durch Luftbewegung. Während Strahlung sehr gut verstanden ist und gemessen werden kann, ist das Ausmaß, in welchem Verdunstung und Bewegung die Oberfläche abkühlen, weniger sicher. Oft wird es durch halbempirische Ansätze beschrieben.
Die Autoren verfolgten einen neuen Ansatz, um diese komplexen Prozesse zu beschreiben, indem sie sich auf die physikalischen Grundlagen stützten: Eine Energiequelle wird benötigt, um die Luftbewegung anzutreiben, ähnlich wie ein Motor die Bewegung eines Autos antreibt. Im Fall der Atmosphäre liefert die Erwärmung der Oberfläche die nötige Energie. Es müssen aber auch die Folgen der resultierenden Luftbewegung berücksichtigt werden. Sarosh Alam Ghausi, Hauptautor der Studie, erklärt: „Je mehr Luftbewegung, desto mehr kühlt sich die Oberfläche ab. Es ist, als würde man über eine heiße Suppe pusten - je mehr man pustet, desto schneller kühlt sie ab.“ Durch diese Abkühlung wird die Energieerzeugung aber weniger effizient, was zu einem geringeren Leistungsmaximum führt. Dieses Maximum lässt sich berechnen und verwenden, um den kühlenden Effekt der Verdunstung und der Luftbewegung auf die Temperatur der Landoberfläche zu quantifizieren.
Die Forscher nutzten Strahlungsdaten von Satelliten und wendeten den Ansatz der maximalen Leistung mathematisch an, um die Erwärmungs- und Abkühlungsraten über Kontinente und Jahreszeiten hinweg abzuschätzen. Auf diese Weise konnten sie die mittleren Tagestemperaturen, die Verdunstung und die Wärmeströme vorhersagen, die bemerkenswert gut mit den Beobachtungen übereinstimmten. Sie nutzten diese Herangehensweise, um zu verstehen, warum die Temperaturen auf den Kontinenten so unterschiedlich sind. Die Wissenschaftler untersuchten insbesondere, welche Rolle die Verfügbarkeit von Wasser dabei spielt und fanden nicht das, was sie erwartet hatten. „Ich dachte, der Wassermangel würde die Wüsten wärmer machen“, sagt Ghausi, ein studierter Hydrologe. „Aber wir stellten fest, dass die Maximierung der Leistung wichtiger ist als der Wassermangel. Das fehlende Wasser wird dabei so ausgeglichen, dass mehr Wärme in die Atmosphäre eingebracht wird.“
Die wärmeren Temperaturen in den Wüsten wurden dann auf zwei Effekte zurückgeführt: Über der Wüste gibt es weniger Wolken, so dass der Sonnenschein die Oberfläche stärker aufheizen kann als bei Regenwäldern. Außerdem liegen Wüsten meist in den Subtropen, wo die Atmosphäre durch die Hadley-Zirkulation Wärme horizontal transportiert. Diese Wärme wird aber nicht der Oberfläche zugeführt, wo sie den Motor für die Luftbewegung antreiben könnte, sondern in die darüber liegende Atmosphäre. Dadurch ist die Energieerzeugung an der Oberfläche weniger effizient, was zu einer geringeren Kühlung und einer wärmeren Oberfläche führt. Mit diesen beiden Faktoren konnten die Autoren die Temperaturschwankungen in allen klimatischen Regionen, von den Regenwäldern bis hin zu den Wüsten erklären.
Erwin Zehe, Professor für Hydrologie am Karlsruher Institut für Technologie und Mitautor der Studie, sieht in dieser Herangehensweise ein großes Potenzial. „Unsere Ergebnisse sind wirklich überraschend, denn normalerweise wird die Verdunstung als der Schlüssel zur Kühlung der Umwelt angesehen. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Ansatz die Dinge wirklich voranbringen kann, indem er einen neuen Goldstandard setzt und die heutigen empirischen Ansätze zur Modellierung der Verdunstung verbessert.“ Axel Kleidon, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und Ko-Autor der Studie, interpretiert diese Ergebnisse allgemeiner. „Es ist nicht ganz klar, warum dieser einfache, aber physikalische Ansatz so gut funktioniert. Man kann es vielleicht so verstehen, dass diese Prozesse so komplex sind, dass letztendlich nur noch die Physik der Energieerzeugung die Grenze setzt.“ Die Autoren erwarten, dass ihr Ansatz es ihnen ermöglichen wird, mehr Klimaforschung zu betreiben und die grundlegenden Mechanismen zu ermitteln, die das Klima um uns herum formen und wie die Mechanismen auf die globale Erwärmung reagieren.
Axel Kleidon und Erwin Zehe arbeiten bereits seit 2010 zusammen. In ihrem neuen gemeinsamen Projekt ViTamins wollen sie die Hydrologie strategisch stärken, indem sie ihre Grundlagen und die Verbindung zur Klimawissenschaft verbessern. ViTamins wird von der Volkswagenstiftung gefördert.
MPI-BGC / DE