28.04.2020

Wie Wasserstoff Supraleitung hemmt

Simulationen offenbaren schwachen Punkt von Nickelaten als Supraleiter.

Im vergangenen Sommer wurde ein neues Zeitalter für die Hoch­temperatur-Supra­leitung ausgerufen – das Nickel-Zeitalter. Man hatte entdeckt, dass es in einer speziellen Klasse von Materialien, den Nickelaten, vielver­sprechende Supraleiter gibt, die auch bei hoher Temperatur elektrischen Strom immer noch völlig ohne Widerstand leiten können. Allerdings zeigte sich bald, dass die zunächst so spekta­kulären Ergebnisse aus Stanford von anderen Forschungs­gruppen nicht reproduziert werden konnten. An der TU Wien hat man nun den Grund dafür gefunden: Bei manchen Nickelaten werden zusätzliche Wasser­stoffatome in die Material­struktur eingebaut. Dadurch ändert sich das elektrische Verhalten des Materials völlig. Bei der Produktion der neuen Supraleiter muss man diesen Effekt nun im Auge behalten.

Abb.: Bei der Herstellung von Nickelat-Supra­leitern können zwei...
Abb.: Bei der Herstellung von Nickelat-Supra­leitern können zwei End­produkte entstehen. Wenn Wasserstoff einge­schlossen wird, ist das Material nicht supra­leitend. (Bild: TU Wien)

Manche Materialien sind nur in der Nähe des absoluten Temperatur-Null­punkts supraleitend – für technische Anwendungen sind solche Supra­leiter nicht zu gebrauchen. Daher sucht man seit Jahrzehnten nach Materialien, die auch bei höheren Temperaturen noch supraleitend bleiben. In den 1980er Jahren wurden die Hochtemperatur-Supra­leiter entdeckt. Auch diese müssen stark gekühlt werden, um ihre supra­leitenden Eigenschaften zu bekommen. Die Suche nach neuen Supra­leitern bei noch höherer Temperatur geht daher weiter. „Lange Zeit konzen­trierte man sich ganz besonders auf Cuprate, also kupfer­haltige Verbindungen. Man spricht daher auch vom Kupfer-Zeitalter“, erklärt Karsten Held vom Institut für Festkörper­physik der TU Wien. „Mit ihnen gelangen einige wichtige Fortschritte, auch wenn es in der Theorie der Hoch­temperatur-Supra­leitung bis heute viele offene Fragen gibt“.  

Doch seit einiger Zeit dachte man auch über andere Möglichkeiten nach. Es gab bereits ein Eisen-Zeitalter, basierend auf eisen­haltigen Supra­leitern. Im Sommer 2019 gelang der Forschungs­gruppe von Harold Y. Hwang aus Stanford dann, Hoch­temperatur-Supraleitung in Nickelaten nachzuweisen. „Aufgrund unserer Rechnungen haben wir bereits vor zehn Jahren Nickelate als Supraleiter vorgeschlagen, allerdings etwas andere als die, die man jetzt entdeckt hat. Sie sind mit den Cupraten verwandt, enthalten aber Nickel statt der Kupfer-Atome“, sagt Karsten Held. Nach anfäng­licher Begeis­terung zeigte sich aber in den vergangenen Monaten, dass Nickelate doch schwieriger herzustellen sind als anfangs gedacht. Andere Forschungs­gruppen berichteten, dass ihre Nickelate keine supra­leitenden Eigenschaften haben. Dieser scheinbare Wider­spruch konnte nun an der TU Wien aufgeklärt werden

„Wir haben die Nickelate mit Hilfe von Super­computern analysiert und haben dabei festgestellt, dass sie extrem empfänglich für Wasser­stoff sind“, berichtet Liang Si. Bei der Synthese bestimmter Nickelate können Wasserstoff­atome mit eingebaut werden, das ändert die elek­tronischen Eigenschaften des Materials völlig. „Allerdings passiert das nicht bei allen Nickelaten“, sagt Liang Si. „Unsere Berechnungen zeigen, dass es bei den meisten von ihnen energetisch günstiger ist, Wasserstoff einzubauen, bei den Nickelaten aus Stanford allerdings nicht. Auch geringfügige Änderungen der Synthese­bedingungen können einen Unterschied ausmachen.“ Erst vergangene Woche konnte die Gruppe um Ariando Ariando von der NUS in Singapur dann doch berichten, dass es Ihr auch gelungen ist, supra­leitende Nickelate zu herzustellen. Sie ließ den frei­werdenden Wasserstoff schon direkt bei der Produktion entweichen. 

An der TU Wien entwickelt und verwendet man neue Computer­berechnungs­methoden, um die Eigenschaften von Nickelaten zu verstehen und vorherzusagen. „Nachdem hier immer eine große Zahl quanten­physikalischer Teilchen gleichzeitig eine Rolle spielt, sind die Rechnungen extrem aufwändig“, sagt Liang Si. „Durch die Kombination verschiedener Methoden gelingt es uns nun aber sogar, die kritische Temperatur abzu­schätzen, bis zu der die verschiedenen Materialien supraleitend sind. Solche zuver­lässigen Berechn­ungen waren bisher nicht möglich.“ So konnte das Team etwa berechnen, in welchem Bereich sich die Strontium-Konzen­tration in den Nickelaten bewegen darf, um Supra­leitung zu erlauben – und diese Vorher­sage wurde jetzt im Experiment bestätigt. 

„Hoch­temperatur-Supra­leitung ist ein äußerst komplexes und schwieriges Forschungs­gebiet“, betont Karsten Held, „Durch die neuen Nickelat-Supraleiter sowie unser theoretisches Verständnis und die Vorher­sagekraft der Computer­berechnungen eröffnet sich eine ganz neue Perspektive dem großen Traum der Festkörper­physik näher zu kommen: einem Supraleiter bei Umgebungs­temperatur, also ohne Kühlung.“

TU Wien / JOL

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