Wie weit ist die Kernfusionsforschung?
Neuer Report über den Status quo von den deutschen Wissenschaftsakademien.
In den letzten zwei Jahren hat sich die Aufmerksamkeit für das Thema Kernfusion verstärkt. Aber wie steht es derzeit tatsächlich um die Kernfusionsforschung? Das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) ordnet die Potenziale und Herausforderungen ein und kommt zu dem Ergebnis: Langfristig könnte die Kernfusion Teil einer klimafreundlichen Energieversorgung werden. Zum Erreichen der deutschen und europäischen Klimaziele bis 2045 wird man wohl im Wesentlichen auf andere Energiequellen setzen.
Die Kernfusionsforschung weckt Hoffnungen auf eine klimafreundliche und grundlastfähige Energiequelle mit vergleichsweise geringem Flächenbedarf. Die Einschätzungen von Kernfusions- und Energie-Fachleuten darüber, wie groß das Potenzial der Kernfusion tatsächlich ist und wie schnell sie zum Einsatz kommen könnte, gehen zum Teil auseinander. Das Projekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) – eine gemeinsame Initiative von acatech, Leopoldina und Akademienunion – nimmt dies zum Anlass, einen Überblick zu geben.
Der ESYS-Impuls „Kernfusion als Baustein einer klimaneutralen Energieversorgung? Chancen, Herausforderungen, Zeithorizonte“ zeigt: Die Dynamik in der Kernfusionsforschung hat sich in den letzten Jahren beschleunigt, was sich nicht zuletzt auch in einer steigenden Anzahl von in diesem Feld engagierten Unternehmen und Start-ups niederschlägt. Langfristig könnte die Kernfusion Strom in einem klimaneutralen Energiesystem bereitstellen, die Importabhängigkeiten verringern und beispielsweise zur Wasserstofferzeugung genutzt werden. Bis zu einem ersten regulären Kraftwerk ist es jedoch noch ein weiter Weg.
Die physikalischen Grundlagen der Kernfusion sind verstanden. Bisher gibt es für keines der bestehenden Fusionskonzepte einen Prototyp – vor einem Kraftwerksbetrieb sind noch zahlreiche praktische Herausforderungen zu lösen: Dazu zählen die Steigerung der Energieausbeute, die Herstellung des Brennstoffs Tritium sowie die Entwicklung besonders widerstandsfähiger Materialien und hochleistungsfähiger Laser. Mit einer Umsetzung eines ersten Kernfusionskraftwerks ist daher frühestens in rund 20 bis 25 Jahren zu rechnen – und damit zu spät, um zu den deutschen und europäischen Klimazielen für 2045 beziehungsweise 2050 nennenswert beizutragen. Den Ausbau der erneuerbaren Energien und andere Bemühungen für die rasche Energiewende kann die Kernfusion also nicht ersetzen.
ESYS / JOL