04.10.2021

Wie Zellen sich unter Scherung ordnen

Ungewöhnlicher Ordnungseffekt bei Scherverformung aufgedeckt.

Das Verständnis lebender Systeme wie zum Beispiel bei Zell-Geweben stellt aufgrund ihrer Eigenschaften eine große Herausforderung dar. Dennoch lassen sie sich mit Hilfe von Modellen untersuchen, die sie im Wesentlichen als eine ungewöhnliche, aktive Form physikalischer Materie behandeln. Dadurch können außergewöhnliche dynamische oder mechanische Eigenschaften aufgedeckt werden. Eines der Rätsel ist, wie sich solche Materialien unter Scherung verhalten. Dabei werden die obere und die untere Schicht seitlich in entgegengesetzte Richtungen bewegt – als würde jemand Mikroskop-Abdeckplatten aufeinander­schieben.

 

Abb.: Ein Schnappschuss aus der Simulation. Die Farben zeigen die Ausrichtung...
Abb.: Ein Schnappschuss aus der Simulation. Die Farben zeigen die Ausrichtung der Selbstantriebs­kräfte an, zum Beispiel blau für aufwärts und rot für abwärts; benachbarte Partikel scheinen tendenziell in ähnliche Richtungen orientiert zu sein. (Bild: R. Mandal)

Forscher am Institut für theoretische Physik der Universität Göttingen sind dieser Frage nachgegangen und haben einen neuen Ordnungseffekt entdeckt, der durch eine gleichmäßige, fortlaufende Scherverformung erzeugt und aufrecht­erhalten wird. Die Forscher verwendeten dafür ein Computermodell von sich selbst antreibenden Teilchen. Jedes Teilchen wird von einer Antriebskraft gesteuert, die langsam und zufällig die Richtung ändert.

Sie fanden heraus, dass der Fluss der Teilchen dem in gewöhnlichen Flüssigkeiten ähnelt, dass es aber eine verborgene Ordnung gibt. Diese zeigte sich den Forschern, wenn sie die Kraftrichtungen der Teilchen betrachten: Diese tendieren dazu, zur nächst­gelegenen (oberen oder unteren) Platte zu zeigen, während Teilchen mit seitlichen Kräften in der Mitte des Systems zusammenfinden.

„Wir haben die Reaktion des Materials bei gleichmäßigem Antrieb untersucht. Bei einer ausreichend starken Antriebskraft konnten wir den Ordnungs­effekt beobachten“, erklärt Rituparno Mandal vom Institut für theoretische Physik der Universität Göttingen. „Wir können den Ordnungseffekt nun auch mit einer einfachen analytischen Theorie vorhersagen, und diese Theorie stimmt überraschend gut mit der Simulation überein.“

Der leitende Autor der Studie, Peter Sollich vom gleichen Institut, ergänzt: „Oft zerstört eine äußere Kraft oder ein Antrieb die Ordnung. Aber hier ist der Antrieb durch die Scherströmung der Schlüssel zur Mobilität der Teilchen, aus denen das aktive Material besteht. Sie brauchen diese Beweglichkeit, um die beobachtete Ordnung zu erreichen. Die Ergebnisse eröffnen Forscherinnen und Forschern, die die mechanischen Reaktionen lebender Materie untersuchen, spannende Möglichkeiten.“

GAU / DE

 

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