09.03.2010

Wilder Ringelreihen der Sterne

Zwei Weiße Zwerge laufen im kleinsten bekannten Doppelsternsystem in nur fünfeinhalb Minuten umeinander.

Zwei Weiße Zwerge laufen im kleinsten bekannten Doppelsternsystem in nur fünfeinhalb Minuten umeinander.

Schneller geht`s kaum: Zwei Sonnen umlaufen einander in nur fünfeinhalb Minuten. Damit ist HM Cancri das Doppelsternsystem mit der kürzesten bekannten Umlaufperiode - und gleichzeitig auch das kleinste. Seine Größe entspricht in etwa einem Viertel der Entfernung zwischen Erde und Mond, also rund 100.000 Kilometern. Herausgefunden hat das ein internationales Forscherteam, dem auch Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik aus Garching angehören.

Abb.: In knapp fünfeinhalb Minuten umlaufen sich zwei Weiße Zwerge im Doppelsternsystems HM Cancri. Dieses Bild wurde mit der BinSim-Software erzeugt und stellt die Geometrie des Systems dar. Die Größen sind korrekt, und es gibt einen Massentransfer sowie eine Akkretionsscheibe um den kleineren Stern (links). (Bild: Rob Haynes, Louisiana State University)

Das System HM Cancri bilden zwei sogenannte Weiße Zwerge, ausgebrannte Überreste von durchschnittlichen Sternen. Ein solcher Weißer Zwerg besteht aus hoch verdichtetem Helium, Kohlenstoff und Sauerstoff und ist in etwa halb so massereich wie die Sonne, besitzt allerdings nur die Größe der Erde. Daher würde ein Fingerhut voll Materie auf der Erde soviel wiegen wie ein Pkw. Die beiden Weißen Zwerge in HM Cancri umlaufen sich sehr eng - ihr gegenseitiger Abstand beträgt nicht mehr als acht Erddurchmesser. Aus diesem Grund beeinflussen sie sich gegenseitig so stark, dass Materie vom leichteren zum schwereren Stern fließen kann.

HM Cancri wurde bereits im Jahr 1999 mit dem am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik gebauten Satelliten ROSAT als Röntgenquelle entdeckt. Sowohl in der Röntgenstrahlung als auch im optischen Licht fanden die Forscher bald Variationen mit einer 5,4-minütigen Periode. Jedoch zweifelte man lange, ob die beobachteten Veränderungen tatsächlich von der Umlaufbahn des Doppelsterns herrührten. "Die Modulation erschien viel zu kurz, um die Möglichkeit einer Umlaufperiode zu akzeptieren. Es fehlte ein direkter Nachweis", sagt Vadim Burwitz vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der 1999 auf die Periodizität in den Röntgendaten des ROSAT-Satelliten gestoßen war.

Jetzt hat ein Team um Gijs Roelofs vom Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik das System HM Cancri mit dem 10-Meter-Keck-I-Teleskop auf Hawaii ins Visier genommen. Und diese Beobachtungen ergaben, dass die früher gemessene 5,4-Minuten-Periode in der Tat die Umlaufzeit eines Doppelsterns ist. Während sich die beiden Sterne umkreisen, verursacht die Bewegung eine periodische Verschiebung der Spektrallinien vom blauen zum roten Wellenlängenbereich und zurück. Diesen Doppler-Effekt benutzen die Astrophysiker, um die Geschwindigkeitsvariationen in den Spektrallinien des Lichts, das HM Cancri aussendet, aufzuspüren.

Mit einer Entfernung von etwa 16.000 Lichtjahren von der Erde erscheint der Doppelstern millionenfach schwächer als der schwächste Stern, den wir mit bloßem Auge am Nachthimmel sehen können. Daher stellten die Messungen eine große Herausforderung dar. "HM Cancri ist sehr leuchtschwach. Um aber das Rätsel seiner Periode zu lösen, mussten wir Hunderte von Spektren in kürzester Zeit aufnehmen. Dafür brauchten wir das weltweit größte Teleskop und gute Wetterbedingungen", sagt Arne Rau vom Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik in Garching, der die Beobachtungen auf Hawaii leitete.

"Das Doppelsternsystem HM Cancri fordert unser Verständnis über die Entwicklung von Einzel- und Dopperlsternen heraus", ergänzt Gijs Nelemans von der Radboud Universität im holländischen Nijmegen. "Wir wissen nun, dass dieser Doppelstern aus zwei ursprünglich normalen Sternen entstanden sein muss. Die beiden Sterne müssen in zwei früheren Phasen Masse verloren haben und sich einander angenähert haben." Was genau dazu führte, wissen die Astronomen bisher nicht.

HM Cancri bietet außerdem die nahezu einmalige Möglichkeit, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu testen, da dieser Doppelstern wegen der rasend schnellen Bewegung durch die Raumzeit einer der stärksten bekannten Gravitationswellenstrahler sein sollte. "Wir hoffen, dass wir die Art von Veränderungen der Raumzeit bald direkt mit dem LISA-Satelliten messen können. Dabei wird HM Cancri eines der wichtigsten Objekte sein" so Nelemans.

Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

 

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