In Deutschland deckten die erneuerbaren Energien im Jahr 2020 46,2 Prozent des Strombedarfs. Parallel sanken die CO2-Emissionen um 42,3 Prozent unter den Emissionen des Referenzjahres 1990. Der Treibausgasausstoß ging somit unter die Marke des Klimaschutzziels für 2020 von vierzig Prozent zurück. Dieser Erfolg ist jedoch auch der Corona-Pandemie zu verdanken, so dass die Anstrengungen 2021 und in den Folgejahren umso anspruchsvoller ausfallen werden. Hilfreich sind dabei viele Fortschritte, die auch im vergangenen Jahr im Bereich der Energieforschung glückten.
So hat sich 2020 die Einsicht verfestigt, dass für die Energiewende Wasserstoff als Energiespeicher und für die Kopplung der Sektoren unverzichtbar ist. Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie startete – mit 51 Millionen Euro gefördert – die Forschungsplattform CatLab, um in der Katalyse neue Impulse zu liefern. Denn Katalysatoren sind der Schlüssel für viele Technologien und Prozesse, die für den Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft benötigt werden. Unter Federführung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) begann ein Projekt zur Industrialisierung der Elektrolyse. Für die Gewinnung von grünem Wasserstoff soll die Produktion von Elektrolyseuren und der dafür erforderlichen Komponenten vorangetrieben werden. Parallel machte die Optimierung von Brennstoffzellen sowohl für ihre Langlebigkeit als auch für höhere Wirkungsgrade Fortschritte.
Nicht nur Wasserstoff spielt für zukünftige Power-to-Gas-Projekte eine große Rolle. Auch Methan soll sich in drei Pilotanlagen für die effiziente Speicherung von Energie im großen Maßstab empfehlen. Hocheffizient kann auch aus Ammoniak wiederum Wasserstoff hergestellt werden und taugt so als grüner Energieträger. Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen und des Zentrums für Brennstoffzellen-Technik ZBT entwickelten dafür eine innovative Anlage: den Ammoniak-Cracker. Steht im Autoverkehr die Elektrifizierung der Antriebe im Mittelpunkt, arbeiten seit 2020 neue Institute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowohl an einer klimafreundlichen Luftfahrt als auch an nachhaltigen maritimen Energiesystemen.
Unter den Stromspeichern behaupteten Lithium-Ionen-Batterien weiterhin ihre führende Rolle. Doch ihre Leistungsfähigkeit lässt sich noch ausbauen, wie eine Detailanalyse Jülicher Forscher von Defekten in Anoden aus Silizium zeigt. Forscher der Universität Gießen kombinierten mikroskopische Verfahren, um bessere Kathoden für Lithium-Ionen-Batterien möglich zu machen. Weiter in die Zukunft weisen dagegen Arbeiten vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, die atomistische Simulationen von Feststoff-Elektrolyten durchführten. Ziel dieser Forschung sind spezielle, chemische Zusammensetzungen von Keramiken, um Lithium-Ionen-Batterien umweltfreundlicher und sicherer als bisher mit Flüssig-Elektrolyten zu machen. Aufsehen erregte auch eine Erfindung aus dem Karlsruher Institut für Technologie: Mit einem neuen Verfahren kann in Erdwärmekraftwerken Lithium aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens gewonnen und damit die Abhängigkeit von Importen verringert werden.
Alternativen zu Lithium
Doch auch andere Stromspeicher stehen in der Entwicklung, die ab 2020 mit einer Förderung von 100 Millionen Euro für vier neue Batterie-Kompetenzcluster intensiviert werden soll. Ein viel versprechendes Potenzial für höhere Energiedichten, Laderaten und längere Lebensdauern zeigte die Materialkombination Lithium-Lanthan-Titanat, die am Karlsruher Institut für Technologie KIT und an der Jilin-Universität in Changchun in China untersucht wurde. Auch Natrium statt Lithium kann zu effizienten und vor allem günstigen Batterien führen, wie Forscher vom Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf zeigten. Sie entdeckten, dass sich in Doppelschichten aus Graphen mehr Natriumatome einlagern ließen als in purem Graphit. Ein Team am Helmholtz-Zentrum Berlin kombinierten die Vorteile von Batterien und Kondensatoren mit der neuen Materialklasse der zweidimensionalen Titankarbide. Über die Einlagerung von Harnstoffmolekülen ließ sich die Kapazität solcher „Pseudokondensatoren“ um mehr als fünfzig Prozent erhöhen.
Auch 2020 dominierten Solarzellen allein auf Silizium-Basis den Photovoltaik-Markt. Doch Tandemzellen aus Silizium und einer Perowskit-Schicht reiften immer weiter und stehen kurz vor der Produktion. Mit 29,15 Prozent Wirkungsgrad erreichte ein Entwicklungsteam des Helmholtz-Zentrums Berlin sogar einen neuen Weltrekord für diesen Solarzelltyp. Ebenfalls höhere Wirkungsgrade verzeichneten Entwickler organischer Solarzellen vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme. Mit 14,9 Prozent stellten sie einen neuen Rekord für organische Solarzellen mit mindestens einem Quadratzentimeter Fläche auf. Dünnschicht-Solarzellen auf der Basis von Chalkopyrit-Verbindungen aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGSe) erzielten im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts Sharc 25 sogar einen Wirkungsgrad von 22,6 Prozent. Vorteil dieser Zelltypen ist der sehr viel geringere Energiebedarf bei der Herstellung im Vergleich zu herkömmlichen Silizium-Solarzellen.
Modellierte Winde
Längere Rotorblätter, höhere Türme und Leistungen bestimmten auch 2020 den Entwicklungstrend bei Windkraftanlagen. Doch neben dieser rein technischen Skalierung wuchs das Interesse an immer intelligenteren Regelungstechniken. So entwickelte das Institut für Regelungstechnik der RWTH Aachen und das Unternehmen W2E Wind to Energy ein Verfahren, das auf der Basis von Modellierungen das Verhalten von Windrädern einige Sekunden vorhersagen konnte. Diese Methode zur Reduzierung der Lasten wurde in einem weltweit einmaligen Feldtest an einer Windkraftanlage der Multi-Megawatt-Klasse erfolgreich getestet. Bessere Vorhersagen der Windstromerzeugung hat auch das 2020 gestartete Forschungsprojekt „WindRamp“ als Ziel. Wissenschaftler des Zentrums für Windenergieforschung an der Uni Oldenburg wollen Laserstrahlen nutzen, um starke Änderungen der Windgeschwindigkeit in Zeiträumen von weniger als einer halben Stunde zu ermitteln. Auch die erste Flugwindkraftanlage Deutschlands mit einem in Achten fliegenden Drachen hat in Schleswig-Holstein eine Reihe von wichtigen Tests erfolgreich abgeschlossen. Die Anlage wurde im Rahmen des Projekts „SkyPower100“ errichtet, an dem auch das Unternehmen SkySails Power und die Leibniz Universität Hannover beteiligt sind.
Supraleiter und stabilisierte Stromnetze
An einem besser abgestimmten Zusammenspiel von Wind- und Solarparks mit dem Stromnetz arbeiteten im vergangenen Jahr zahlreiche Forscher. So gelang es, mit beiden Arten der erneuerbaren Stromerzeugung auch Regelleistung zur Stabilisierung des Stromnetzes bereitzustellen. Auch der Einsatz von Batterien kann den gleichen Zweck erfüllen. Koordiniert von der TU Clausthal startete das Projekt „GridBatt - Batterietechnologien zur Sicherung eines stabilen Netzbetriebes“. Schwankungen in der Stromerzeugung sollen damit besser aufgefangen werden. Und mit dem Einsatz von Hochtemperatur-Supraleitern nehmen die Stadtwerke München einen Weltrekord ins Visier. Geplant ist eine zwölf Kilometer lange Supraleiter-Hochspannungsstrecke im Stromnetz der Stadt. Nach Fertigstellung wird es die weltweit erste derart lange Supraleiter-Kabelstrecke mit echtem Versorgungsauftrag sein.
Neben erneuerbaren Kraftwerken und intelligenten Stromnetzen machten 2020 die Arbeiten an der Kernfusion größere Fortschritte. Mit einem Festakt feierte die ITER Organization den offiziellen Beginn des Zusammenbaus des weltweit größten Tokamak-Fusionsexperiments in Südfrankreich. Der Zeitplan sieht vor, in den nächsten fünf Jahren die mehr als zehn Millionen Einzelteile des Tokamak-Reaktors zusammenzusetzen. Der ältere Tokamak JET in Großbritannien experimentiert erstmals mit dem Brennstoff eines künftigen Fusionskraftwerks, den beiden Wasserstoff-Sorten Deuterium und Tritium. Und nicht zuletzt wird auch die Stellerator-Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald weiter ausgebaut. Eine wassergekühlte Innenverkleidung des Plasmagefäßes wird die Anlage tauglich machen für höhere Heizleistung und längere Plasmapulse. Die aufwändigen Montagearbeiten werden bis weit in das laufende Jahr dauern.
Jan Oliver Löfken
Weitere Beiträge
- J. O. Löfken: Erneuerbare auf dem Vormarsch, Energietechnologien im Jahresrückblick 2019, Pro-Physik, 6. Januar 2020
- EnergyViews auf pro-physik.de
- Dossier „Energiewende“ (Physik Journal)
- Dossier „Fusionsforschung“ (Physik Journal)
- Dossier „Supraleitung“ (Physik Journal)
JOL
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