16.10.2018

Wirkmechanismen der Elektronenheizung in Atmosphärendruckplasmen aufgedeckt

Praktische und wirtschaftliche Relevanz auch für industrielle Plasmaquellen.

Einer der heraus­ragenden Vorteile von Nieder­tem­pe­ratur­plas­men bei der Behand­lung von Ober­flächen und dem Abscheiden dünner Schichten ist die Viel­zahl ein­stell­barer Para­meter, die ein genaues Anpassen der Plasma­eigen­schaften an die jeweilige Anwendung ermöglicht. Je besser die Wirk­mechanis­men im Plasma verstanden sind, umso gezielter kann man bei der Aus­wahl der einzu­stellenden Para­meter vorgehen. Für die betref­fenden Industrie­zweige stellt ein Plus an über­trag­barem Grund­lagen­wissen daher in der Regel eine große Zeit- und Kosten­ersparnis dar. Ein Forschungs­team des KAIST (Korea Advanced Institute of Science and Technology) hat die räumlich-zeitliche Ent­wick­lung der Elektronen­dichte und -temperatur in Atmo­sphären­druck­plasmen untersucht und dabei den Mechanis­mus der Elektronen­heizung – also eines der Vor­gänge der Leistungs­ein­kopp­lung – für diesen Plasma­typ aufgedeckt.

Abb.: Sehen hohes Anwendungs­potential in ihren neuen Erkenntnissen zum Mechanis­mus der Leistungs­einspeisung in Atmos­phären­druck­plasmen: Professor Wonho Choe (links) und Professor Sanghoo Park (rechts). (Bild: KAIST)

Dazu musste das Team um Professor Wonho Choe vom Department of Nuclear and Quantum Engineering (NQe) jedoch zunächst eine geeignete Diagnostik aufbauen. In den von ihnen im Druck­bereich zwischen 260 und 1013 mbar betriebenen Plasmen treten häufig Kolli­sionen zwischen freien Elektronen und neutralen Gas­teilchen auf, die den Einsatz herkömm­licher Diagnose­werkzeuge zur Bestim­mung von Elektronen­dichte und -temperatur ausschließen.

Das von den Wissen­schaft­lern eingesetzte Verfahren untersucht die Elektron-Neutral-Brems­stahlung, die beim Ab­brem­sen der Elek­tronen in den Elek­tronen­hüllen der Neutral­teilchen aus­gesendet wird. Da diese von Elek­tronen­dichte ne und Elektronen­temperatur Te abhängt, kann aus dem auf­genom­menen Spektrum auf die gewün­schten Werte zurück­gerechnet werden. Dieses bereits 2015 von S. Park et al. beschrie­bene Ver­fahren wurde mit einer neu­artigen bild­gebenden Dia­gnostik für die zwei­dimen­sionale Verteil­ungen von Elektronen­informa­tionen erweitert. 

Abb. Nano­sekunden­aufgelöste Visu­alisie­rung der Elektronen­heizung. Raum­zeitliche Ent­wicklung der 514,5 nm Kontinuums­strahlung in will­kür­lichen Ein­heiten (linke Spalte) und Elektronen­temperatur Te in eV (rechte Spalte) für zwei Arbeits­drücke in Ab­hängigkeit von Abstand zu den Elektroden. (Bild: KAIST)


Bei verschiedenen Arbeits­drücken wurde für ein kapa­zitiv mittels Radio­fre­quenz (rf-) angeregtes Argon-Plasma die Inten­sität der Brems­strah­lung bei 514,5 nm in Abhän­gigkeit vom Abstand von der plasma­anregenden Elektrode und der 4 mm von ihr entfernten Gegen­elektrode zeitaufgelöst gemessen. Die zuge­hörige Elektronen­temperatur wurde bestimmt. Auf­nahmen beider Para­meter lassen eine peri­odische Bewegung der Plasma-Rand­schicht erkennen, die sich – ent­sprechend der Anregungs­frequenz von 13,56 MHz – alle 73,7 ns wiederholt. Während die Plasma­anregung bei Atmo­sphären­druck (1310 mbar) für jede Halb­periode sym­metrisch zwischen rf-ein­spei­sender und Gegen­elektrode verläuft, erkennt man bei niedri­geren Drücken (266 mbar) die wechselnde Feld­richtung nach jeder Halbperiode.

Diese und weitere Mes­sun­gen geben ein recht genaues Bild von den Anregungs­mecha­nismen und den physi­ka­li­schen Ver­hält­nissen in den unter­suchten Plasmen.

Professor Choe sieht auch wirt­schaft­lichen Nutzen in den neuen Erkennt­nissen: „Die Ergeb­nisse dieser Studie liefern ein klares Bild der Elek­tronen­heizung in schwach ioni­sierten Plasmen unter Beding­ungen, bei denen Kolli­sionen zwischen freien Elek­tronen und neutralen Teilchen häufig sind. Wir hoffen, dass diese Studie infor­mativ und hilfreich für die Nut­zung und Ver­marktung von atmo­sphärischen Plasma­quellen in naher Zukunft sein wird.“

Die energie- und ressourcen­effizienten Atmo­sphären­druck-Plasmen kommen in einer Vielzahl von An­wen­dungen zum Einsatz: vom Reinigen und Vor­behan­deln oder dem Innen­beschichten von Bauteilen über die chemische Funktio­nali­sierung und Mikro­struktu­rierung von Ober­flächen bis hin zu medi­zinischen An­wendun­gen.

KAIST / LK

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