Wirkmechanismen der Elektronenheizung in Atmosphärendruckplasmen aufgedeckt
Praktische und wirtschaftliche Relevanz auch für industrielle Plasmaquellen.
Einer der herausragenden Vorteile von Niedertemperaturplasmen bei der Behandlung von Oberflächen und dem Abscheiden dünner Schichten ist die Vielzahl einstellbarer Parameter, die ein genaues Anpassen der Plasmaeigenschaften an die jeweilige Anwendung ermöglicht. Je besser die Wirkmechanismen im Plasma verstanden sind, umso gezielter kann man bei der Auswahl der einzustellenden Parameter vorgehen. Für die betreffenden Industriezweige stellt ein Plus an übertragbarem Grundlagenwissen daher in der Regel eine große Zeit- und Kostenersparnis dar. Ein Forschungsteam des KAIST (Korea Advanced Institute of Science and Technology) hat die räumlich-zeitliche Entwicklung der Elektronendichte und -temperatur in Atmosphärendruckplasmen untersucht und dabei den Mechanismus der Elektronenheizung – also eines der Vorgänge der Leistungseinkopplung – für diesen Plasmatyp aufgedeckt.
Abb.: Sehen hohes Anwendungspotential in ihren neuen Erkenntnissen zum Mechanismus der Leistungseinspeisung in Atmosphärendruckplasmen: Professor Wonho Choe (links) und Professor Sanghoo Park (rechts). (Bild: KAIST)
Dazu musste das Team um Professor Wonho Choe vom Department of Nuclear and Quantum Engineering (NQe) jedoch zunächst eine geeignete Diagnostik aufbauen. In den von ihnen im Druckbereich zwischen 260 und 1013 mbar betriebenen Plasmen treten häufig Kollisionen zwischen freien Elektronen und neutralen Gasteilchen auf, die den Einsatz herkömmlicher Diagnosewerkzeuge zur Bestimmung von Elektronendichte und -temperatur ausschließen.
Das von den Wissenschaftlern eingesetzte Verfahren untersucht die Elektron-Neutral-Bremsstahlung, die beim Abbremsen der Elektronen in den Elektronenhüllen der Neutralteilchen ausgesendet wird. Da diese von Elektronendichte ne und Elektronentemperatur Te abhängt, kann aus dem aufgenommenen Spektrum auf die gewünschten Werte zurückgerechnet werden. Dieses bereits 2015 von S. Park et al. beschriebene Verfahren wurde mit einer neuartigen bildgebenden Diagnostik für die zweidimensionale Verteilungen von Elektroneninformationen erweitert.
Abb. Nanosekundenaufgelöste Visualisierung der Elektronenheizung. Raumzeitliche Entwicklung der 514,5 nm Kontinuumsstrahlung in willkürlichen Einheiten (linke Spalte) und Elektronentemperatur Te in eV (rechte Spalte) für zwei Arbeitsdrücke in Abhängigkeit von Abstand zu den Elektroden. (Bild: KAIST)
Bei verschiedenen Arbeitsdrücken wurde für ein kapazitiv mittels Radiofrequenz (rf-) angeregtes Argon-Plasma die Intensität der Bremsstrahlung bei 514,5 nm in Abhängigkeit vom Abstand von der plasmaanregenden Elektrode und der 4 mm von ihr entfernten Gegenelektrode zeitaufgelöst gemessen. Die zugehörige Elektronentemperatur wurde bestimmt. Aufnahmen beider Parameter lassen eine periodische Bewegung der Plasma-Randschicht erkennen, die sich – entsprechend der Anregungsfrequenz von 13,56 MHz – alle 73,7 ns wiederholt. Während die Plasmaanregung bei Atmosphärendruck (1310 mbar) für jede Halbperiode symmetrisch zwischen rf-einspeisender und Gegenelektrode verläuft, erkennt man bei niedrigeren Drücken (266 mbar) die wechselnde Feldrichtung nach jeder Halbperiode.
Diese und weitere Messungen geben ein recht genaues Bild von den Anregungsmechanismen und den physikalischen Verhältnissen in den untersuchten Plasmen.
Professor Choe sieht auch wirtschaftlichen Nutzen in den neuen Erkenntnissen: „Die Ergebnisse dieser Studie liefern ein klares Bild der Elektronenheizung in schwach ionisierten Plasmen unter Bedingungen, bei denen Kollisionen zwischen freien Elektronen und neutralen Teilchen häufig sind. Wir hoffen, dass diese Studie informativ und hilfreich für die Nutzung und Vermarktung von atmosphärischen Plasmaquellen in naher Zukunft sein wird.“
Die energie- und ressourceneffizienten Atmosphärendruck-Plasmen kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz: vom Reinigen und Vorbehandeln oder dem Innenbeschichten von Bauteilen über die chemische Funktionalisierung und Mikrostrukturierung von Oberflächen bis hin zu medizinischen Anwendungen.
KAIST / LK