Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie hat 100 Jahre lang alle experimentellen Test bestanden. Diese Tests belegen jedoch nicht, wie gut die Theorie auch sehr starke Gravitationsfelder, wie sie bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstehen, beschreibt. Mit neuen, anspruchsvolleren Methoden können Physiker nun mit bisher unerreichter Empfindlichkeit nach Abweichungen von der Allgemeinen Relativitätstheorie suchen. Wissenschaftler an den Max-Planck-Instituten für Gravitationsphysik und Radioastronomie haben zwei der wichtigsten Werkzeuge zur Untersuchung starker Gravitationsfelder untersucht: Pulsar-Timing und Gravitationswellen-Beobachtungen. Sie zeigten, wie man mit der Kombination dieser beiden Methoden Alternativen zur Allgemeinen Relativitätstheorie überprüfen kann.
Abb.: Die durch Pulsar-Timing festgelegten Einschränkungen für die Abweichungen von der Allgemeinen Relativität hinterlassen eine Lücke zwischen 1,6 und 1,7 Sonnenmassen. (Bild: L. Shao, AEI, MPIfR / N. Sennett, A. Buonanno, AEI)
Erst kürzlich konnten Forscher Gravitationswellen von Neutronensternen beobachten. Am 17. August 2017 hat das LIGO-Virgo-Detektornetzwerk Gravitationswellen der Verschmelzung zweier Neutronensterne gemessen. Diese exotischen Objekte bestehen aus unglaublich dichter Materie: Ein typischer Neutronenstern wiegt bis zu doppelt so viel wie unsere Sonne, hat aber einen Durchmesser von nur zwanzig Kilometern. Vor fünfzig Jahren wurden schnell rotierende Neutronensterne (Pulsare) zum ersten Mal beobachtet. Die genaue Natur ihrer extrem dichten Materie ist seit Jahrzehnten ein Rätsel.
Nun untersuchten die Autoren Gravitationstheorien, bei denen sich die starken Gravitationsfelder innerhalb der Neutronensterne von denen, die die allgemeine Relativitätstheorie vorhersagt, unterscheiden. Diese Abweichung im Bereich starker Felder bewirkt, dass Doppelsternsysteme Energie abstrahlen und schneller miteinander verschmelzen als in der Allgemeinen Relativitätstheorie – ein Verhalten, das bei Neutronensternbeobachtungen sichtbar werden müsste.
„Das Gravitationsfeld an der Oberfläche von Neutronensternen ist ungefähr 200 Milliarden mal so stark wie das auf der Erde, was sie zu ausgezeichneten Testobjekten macht, um Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie und alternative Theorien im Bereich starker Felder zu untersuchen“, erklärt Lijing Shao. „In einer systematischen Untersuchung mit Pulsar-Timing-Methoden konnten wir eine Klasse von alternativen Gravitationstheorien einschränken und zum ersten Mal im Detail zeigen, wie sie mit der Physik der extrem dichten Materie zusammenhängen.“ Dies wird durch die bislang noch nicht bekannte Zustandsgleichung der Neutronensterne beschrieben.
Shao, der als Postdoc am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) an dem Projekt arbeitete, forscht seit September 2017 am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Er und seine Kollegen untersuchten elf mögliche Zustandsgleichungen für fünf binäre Pulsar-Systeme, jeweils bestehend aus einem Neutronenstern und einem Weißen Zwerg. Sie entdeckten, dass die bislang besten Grenzwerte für alternative Gravitationstheorien bei binären Pulsaren Lücken aufweisen, die mit Hilfe der Gravitationswellendetektoren geschlossen werden könnten.
„Im zweiten Beobachtungslauf haben LIGO und Virgo bereits unter Beweis gestellt, dass sie empfindlich genug sind, um binäre Neutronensterne zu detektieren. Und ihre Empfindlichkeit wird in den kommenden Jahren weiter verbessert, wenn die Advanced LIGO und Virgo-Konfiguration erreicht wird“, sagt Noah Sennett, Doktorand und Zweitautor der Studie. „Die LIGO-Virgo-Detektoren könnten bald binäre Neutronensternsysteme mit geeigneten Massen entdecken. Dies könnte die Grenzwerte verbessern, die durch binäre Pulsar-Tests für bestimmte Zustandsgleichungen gesetzt werden und damit Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie und alternative Theorien einem qualitativ neuen Test unterziehen“, sagt Alessandra Buonanno, Direktorin der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam.
Zukünftige Gravitationswellendetektoren wie das Einstein-Teleskop werden diese Tests weiter verbessern und die Lücke in den derzeitigen Randbedingungen schließen. Einander ergänzende Tests der Schwerkraft in starken Feldern werden in naher Zukunft Realität werden.
AEI / DE