24.09.2015

Wo sind die Gravitationswellen?

Elfjährige Suche mit 24 Pulsaren geht leer aus.

Im von kalter dunkler Materie und dunkler Energie dominierten Standardmodell der Kosmologie bilden sich große Galaxien sukzessive durch die Ver­schmelz­ung kleinerer Sternsysteme. Zahlreiche Beobachtungen von Galaxienkernen sowohl im nahen als auch im fernen und damit jungen Kosmos liefern Indizien dafür, dass nahezu alle Galaxien in ihren Zentren supermassereiche schwarze Löcher beherbergen. Die Verschmelzung von Galaxien sollte daher zu einer Population von gravitativ gebundenen doppelten super­masse­reichen schwarzen Löchern führen, deren Umlaufbahnen durch die von der Allgemeinen Re­la­ti­vi­täts­­theorie vorhergesagten Abstrahlung von Gravitation­swellen langsam schrumpfen.

Abb.: Kollidierende Schwarze Löcher senden Gravitationswellen aus; Ausschnitt aus einer Computersimulation. (Bild: M. Koppitz / AEI)

Der Weltraum müsste folglich von einem stochastischen Hintergrund aus Gravitationswellen all dieser Doppelsysteme erfüllt sein – und diese Gravitationswellen wiederum sollten dann die Ankunftszeiten der Strahlungs­pulse von Pulsaren auf der Erde modulieren. Bereits in den 1970er Jahren kam daher die Idee auf, die genaue Überwachung dieser Ankunftszeiten bei einer großen Zahl von Pulsaren – Pulsar Timing Arrays genannt – als Detektoren für Gravitations­wellen zu nutzen. Doch erst mit der Jahr­tausend­wende hat die Technik einen Stand erreicht, der solche Messungen mit der notwendigen Genauigkeit möglich macht. Inzwischen laufen inter­national drei solcher Projekte, am längsten das im März 2005 gestartete Parkes Pulsar Timing Array am 64 Meter großen Parkes-Radioteleskop in Australien.

Rayan Shannon von der Australian Telescope National Facility und seine Kollegen präsentieren nun die Ergebnisse der bislang elfjährigen Überwachung von insgesamt 24 Millisekunden-Pulsaren. Innerhalb eines solchen Zeitraums sollten sich Gravitationswellen von doppelten supermassereichen schwarzen Löchern mit Umlaufperioden von 0,1 bis 30 Jahren nachweisen lassen. Die Modelle der Galaxienentwicklung im kosmologischen Standardmodell sagen eine charakteristische Amplitude größer als 10-15 bei einer Periode von einem Jahr und einen spektralen Index von -2/3 voraus. Gefunden haben Shannon und seine Kollegen – nichts. Die charakteristische Amplitude ist mit einem Konfidenzniveau von 95 Prozent kleiner als 10-15, alle von gegenwärtigen Modellen vorhergesagten Amplituden lassen sich mit Konfidenzniveaus von 91 bis 99,7 Prozent ausschließen, so die Forscher.

Ist also die Allgemeine Relativitätstheorie falsch? Bislang hat diese Theorie alle experimentellen Tests mit Bravour bestanden. Zudem deuten indirekte Befunde – etwa die Abnahme der Umlaufzeiten bei Doppelpulsaren – auf die Existenz von Gravitations­wellen hin. Daher erwähnen Shannon und seine Kollegen zwar die Möglichkeit „exotischer Gründe“ für ihr negatives Ergebnis wie bei­spiels­weise alternative Gravitationstheorien. Weitaus wahrscheinlicher jedoch ist ihrer Ansicht nach, dass die Modelle für die Entwicklung der Galaxien und schwarzen Löcher korrigiert werden müssen. Entweder ein bislang unbekannter Prozess stoppt die Annäherung der super­masse­reichen schwarzen Löcher, oder diese Annäherung läuft sehr viel schneller ab als bislang angenommen. In beiden Fällen wäre der Gravitationswellen-Hintergrund deutlich schwächer als in den bisherigen Modellen. Deshalb geben die Astronomen des Parkes Pulsar Timing Arrays nicht auf und setzen ihre Messungen fort. Denn mit einer wachsenden Zahl von Pulsaren und einem längeren Beobachtungszeitraum, so die Forscher, lassen sich künftig immer engere Grenzen für die Entwicklungs-Modelle supermassereicher schwarzer Löcher ziehen.

Rainer Kayser

PH

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