Woher der Wind weht
Plasmaphysikalische Erforschung elektrischer Winde revolutioniert strömungsmechanische Anwendungen.
Wer kennt nicht das schöner Experiment, in dem wie von Geisterhand eine brennende Kerze mit elektrischer Spannung gelöscht wird. Es braucht lediglich eine metallische Spitze und eine an diese angelegte – vorzugsweise positive, aber auf jeden Fall sehr hohe – Spannung. Den Rest erledigt der sogenannte elektrische Wind, nichts anderes als ein – durch die im elektrischen Feld beschleunigten Ladungsträger über Stöße in Gang gekommener – Strom neutraler Moleküle. Die Möglichkeit, Gas- und insbesondere eben auch Luftströmungen mit elektrischer Spannung zu lenken, eröffnet interessante Anwendungsgebiete. Neuartige Ventilatoren und aerodynamische Lastkraftwagen kämen ohne bewegliche mechanische Bauteile zur Strömungserzeugung bzw. -lenkung aus. Wissenschaftler vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) haben das Prinzip des elektrischen Windes im Plasma aufgedeckt und damit nicht nur plasmaphysikalischen sondern auch neuen strömungsmechanischen Entwicklungen die Bahn geebnet.
Abb.: Die zeitintegrierte Sequenz ultra-schneller Bilder zeigt die Bewegung des gepulsten Plasmajets von Generation zu Extinktion für zwei repräsentative Fälle von Entladungsparametern: (a) für positive Spannung (3 kV, 10 μs) und (b) für negative Spannung (-3kV, 10 µms). Die im schwachionisierten Atmosphärendruckplasma vorhandenen Spezies – neutrale Heliumatome (He) und Stickstoffmoloküle (N2), sowie Helium- (He+) und Stickstoff- (N2+) Ionen und Elektronen (e-) – sind ebenso angegeben wie die elektrohydrodynamische Kraft Fi-n bzw. Fe-n.
Um die Ursache der elektrischen Winde zu identifizieren, untersuchte das Team um Professor Wonho Choe gepulste Atmosphärendruckplasmen. Bei der untersuchten Art der Plasmaentladung entsteht zunächst ein durch Photo- und Stoßionisation erzeugter leitfähiger Kanal, der sogenannte Streamer. In einer Abfolge verschiedener Experimente untersuchten die Wissenschaftler Streamerausbreitung, Raumladungsdrift und elektrohydrodynamische (EHD) Kraft im Plasmajet.
Nach Angaben des Teams hat die Streamerausbreitung nur sehr geringe Auswirkungen auf den elektrischen Wind, die Raumladungsdrift, die auf die Streamerausbreitung und den Kollaps folgt, dafür umso mehr. Sie wurde in den Experimenten als Hauptursache für den elektrischen Wind ausgemacht. Weiterhin stellten die Wissenschaftler fest, dass Elektronen statt negativ geladener Ionen die Schlüsselkomponenten der elektrischen Windgeneration in bestimmten Plasmen sind.
In Abhängigkeit von der Höhe des zur Plasmaerzeugung eingesetzten Spannungspulses wurde elektrischer Wind mit verschiedenen Geschwindigkeiten erzeugt. Die höchste im Experiment erzielte Windgeschwindigkeit betrug 4 m/s. Die Ergebnisse liefern somit Ansätze, um die Geschwindigkeit des elektrischen Windes effektiv zu kontrollieren.
Abb.: Schwache Brise aber deutlicher Effekt: bei einer Pulsung von 50 µs lassen sich mit 5 kV Windstärken von bis zu 4 m/s erzeugen. Das entspricht der Stufe 3 auf der Beaufort-Skala und würde an Land Bewegungen von Blättern und dünnen Zweigen verursachen. In diesem Bereich überwiegt die Kraft der Raumladung (FSC) die elektrohydrodynamische Kraft des Streamers (Fstr).
„Diese Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Elektronen oder Ionen und neutralen Teilchen, die in schwach ionisierten Plasmen wie Atmosphärendruckplasmen auftreten“, so Choe. „Dies kann eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, den Bereich der Fluid-Control-Anwendungen mit Plasmen zu erweitern, was wirtschaftlich und kommerziell interessant wird.“
KAIST / LK