06.03.2018

Woher der Wind weht

Plasmaphysikalische Erforschung elektrischer Winde revolutioniert strömungsmechanische Anwendungen.

Wer kennt nicht das schöner Experiment, in dem wie von Geister­hand eine brennende Kerze mit elek­tri­scher Span­nung gelöscht wird. Es braucht lediglich eine metal­lische Spitze und eine an diese angelegte – vorzugs­weise positive, aber auf jeden Fall sehr hohe – Spannung. Den Rest erledigt der sogenannte elektrische Wind, nichts anderes als ein – durch die im elektrischen Feld beschleunigten Ladungs­träger über Stöße in Gang gekommener – Strom neutraler Moleküle. Die Möglich­keit, Gas- und ins­beson­dere eben auch Luft­strö­mungen mit elektrischer Spannung zu lenken, eröffnet interessante Anwendungs­gebiete. Neuartige Ventilatoren und aero­dynamische Last­kraft­wagen kämen ohne bewegliche mechanische Bauteile zur Strömungs­erzeugung bzw. -lenkung aus. Wissen­schaftler vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) haben das Prinzip des elektrischen Windes im Plasma aufgedeckt und damit nicht nur plasma­physikalischen sondern auch neuen strömungs­mechanischen Entwick­lungen die Bahn geebnet.

Abb.: Die zeitintegrierte Sequenz ultra-schneller Bilder zeigt die Bewegung des gepulsten Plasmajets von Generation zu Extinktion für zwei repräsentative Fälle von Entladungs­parametern: (a) für positive Spannung (3 kV, 10 μs) und (b) für negative Spannung (-3kV, 10 µms). Die im schwachionisierten Atmosphären­druck­plasma vorhandenen Spezies – neutrale Helium­atome (He) und Stickstoff­moloküle (N2),  sowie Helium- (He+) und Stickstoff- (N2+) Ionen und Elektronen (e-) – sind ebenso ange­geben wie die elektro­hydro­dynamische Kraft Fi-n bzw. Fe-n.

Um die Ursache der elektrischen Winde zu identi­fizieren, untersuchte das Team um Professor Wonho Choe gepulste Atmosphären­druckplasmen. Bei der untersuchten Art der Plasma­entladung entsteht zunächst ein durch Photo- und Stoß­ioni­sation erzeugter leitfähiger Kanal, der sogenannte Streamer. In einer Abfolge verschiedener Experimente untersuchten die Wissen­schaftler Streamer­ausbreitung, Raum­ladungs­drift und elektro­hydro­dynamische (EHD) Kraft im Plasmajet.

Nach Angaben des Teams hat die Streamer­ausbreitung nur sehr geringe Aus­wirkungen auf den elektri­schen Wind, die Raum­ladungs­drift, die auf die Streamer­ausbreitung und den Kollaps folgt, dafür umso mehr. Sie wurde in den Experi­menten als Haupt­ursache für den elektrischen Wind ausgemacht. Weiterhin stellten die Wissen­schaftler fest, dass Elektronen statt negativ geladener Ionen die Schlüssel­kompo­nenten der elektrischen Wind­generation in bestimmten Plasmen sind.

In Abhängigkeit von der Höhe des zur Plasma­erzeugung eingesetzten Spannungs­pulses wurde elektrischer Wind mit verschiedenen Geschwindig­keiten erzeugt. Die höchste im Experiment erzielte Wind­geschwindigkeit betrug 4 m/s. Die Ergebnisse liefern somit Ansätze, um die Geschwindigkeit des elektrischen Windes effektiv zu kontrollieren.

Abb.: Schwache Brise aber deutlicher Effekt: bei einer Pulsung von 50 µs lassen sich mit 5 kV Windstärken von bis zu 4 m/s erzeugen. Das entspricht der Stufe 3 auf der Beaufort-­Skala und würde an Land Bewegungen von Blättern und dünnen Zweigen verur­sachen. In diesem Bereich überwiegt die Kraft der Raum­ladung (FSC) die elektro­hydro­dynamische Kraft des Streamers (Fstr).

„Diese Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Wechsel­wirkungen zwischen Elektronen oder Ionen und neutralen Teilchen, die in schwach ionisierten Plasmen wie Atmo­sphären­druck­plasmen auftreten“, so Choe. „Dies kann eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, den Bereich der Fluid-­Control-­Anwen­dungen mit Plasmen zu erweitern, was wirtschaftlich und kommerziell interessant wird.“

KAIST / LK

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