10.07.2019 • Biophysik

Wolfram als interstellarer Strahlenschutz

Metallophile Mikroorganismen könnten bei rauen Überlebensbedingungen vom Schwermetall profitieren.

Ein Siedepunkt von 5900 Grad Celsius und diamant­artige Härte in Kombination mit Kohlenstoff: Wolfram ist das schwerste Metall, das dennoch biologische Funktionen aufweist – vor allem bei hitze­liebenden Mikro­organismen. Ein Team um Tetyana Milojevic von der Uni Wien zeigt jetzt erstmals seltene mikro­bielle Wolfram-Interaktionen im Nanometer­bereich. Basierend auf diesen Erkennt­nissen kann auch die Überlebens­fähigkeit von Mikro­organismen unter Weltraum­bedingungen erforscht werden.

Abb.: Auf wolframhaltigem W-POM kultivierte Kolonien von M. sedula bestehen aus...
Abb.: Auf wolframhaltigem W-POM kultivierte Kolonien von M. sedula bestehen aus einzelnen Zellen, die durch extrazelluläre Extensionen verbunden sind. (Bild: T. Milojevic, U. Wien)

Als hartes und seltenes Metall ist Wolfram mit seinen außer­gewöhnlichen Eigen­schaften und dem höchsten Schmelz­punkt aller Metalle eine sehr unwahr­scheinliche Wahl für ein biolo­gisches System. Nur wenige Organismen, wie thermophile Archaeaen oder zell­kern­lose Organismen haben sich an die extremen Bedingungen einer Wolfram-Umgebung angepasst und fanden einen Weg, Wolfram zu assimilieren. Die Unter­suchungen von Milojevic und ihren Kollegen geben Aufschluss über die mögliche Rolle von Mikro­organismen in einer mit Wolfram angereicherten Umgebung und beschreiben eine nano­skalige Wolfram-Mikroben-Grenz­fläche des extrem hitze- und säure­liebenden Mikro­organismus Metallo­sphaera sedula, der mit wolframh­altigen Verbindungen gezüchtet wurde. Dieser Mikro­organismus ist es auch, der in künftigen Studien in Weltraum­umgebungen auf seine Überlebens­fähigkeit bei inter­stellaren Reisen untersucht wird. Wolfram könnte dabei ein wesentlicher Faktor sein.

Analog zu mineralischen Zellen auf Eisen­sulfid­basis gelten künstliche Poly­oxo­metallate, kurz POMs, als anorganische Zellen, die chemische Prozesse im Vorfeld erleichtern und „lebensechte“ Eigen­schaften aufweisen. Die Relevanz von POMs für lebens­erhaltende Prozesse, etwa bei mikro­bieller Atmung, wurde bislang noch nicht untersucht. „Am Beispiel Metallo­sphaera sedula, das in heißer Säure gedeiht und durch Metall­oxidation atmet, haben wir untersucht, ob komplexe anorganische Systeme, die auf Wolfram-POM-Clustern basieren, das Wachstum von M. sedula aufrecht­erhalten und die Zell­prolife­ration und -teilung bewirken können“, erläutert Milojevic.

Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Verwendung von anorganischen POM-Clustern auf Wolframbasis den Einbau von heterogenen Wolfram-Redox-Spezies in mikrobielle Zellen ermöglicht. Die metall­organischen Ablagerungen an der Grenzfläche zwischen M. sedula und W-POM wurden am Öster­reichischen Zentrum für Elektronen­mikroskopie und Nanoanalyse in Graz im Nanometer­bereich aufgelöst.

„Unsere Ergebnisse ergänzen die wachsenden Aufzeichnungen über biominerali­sierte mikrobielle Arten, die unter denen Archaeen selten vertreten sind, um die mit Wolfram verkrustete M. sedula“, so Milojevic. Die von der extrem thermo­azido­philen M. sedula durchgeführte Biotrans­for­mation des Wolfram­minerals Scheelit führt zum Bruch der Scheelit­struktur, anschließender Solubili­sierung von Wolfram und der Wolfram­biominerali­sierung der Zell­ober­fläche von M. sedula. Die biogenen wolfram­carbid­ähnlichen Nano­strukturen stellen ein potenziell nachhaltiges Nano­material dar, das durch das umwelt­freundliche mikrobiell unter­stützte Design erhalten wird.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass M. sedula durch ein Überziehen mit wolfram­carbid­artigen Verbindungen eine wolfram­haltige, minerali­sierte Zell­ober­fläche bilden kann“, erklärt Milojevic. Diese mit Wolfram verkrustete Schicht, die sich um die Zellen von M. sedula bildet, könnte eine mikrobielle Strategie darstellen, um unter rauen Bedingungen, etwa während einer inter­planetaren Reise, gute Überlebenschancen zu haben. Die Wolfram-Schicht dient dabei als wirksamer Strahlen­schutz. „Die mikro­bielle Wolfram­rüstung ermöglicht uns die Überlebens­fähigkeit dieses Mikro­organismus unter Weltraum­umgebungs­bedingungen weiter zu untersuchen“, so Milojevic.

U. Wien / RK

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