25.05.2016

Wolkenbildung mit Biomolekülen

Neuer Mechanismus für Kondensationskeime aus organischen Molekülen mit Einfluss auf vorindustrielles Erdklima.

Trotz aufwändiger Forschung sind noch nicht alle Prozesse der Wolken­bildung im Detail verstanden. Diese Wissenslücke konnte nun eine inter­nationale Forscher­gruppe mit bahn­brechenden Messungen auf dem Jungfrau­joch in den Schweizer Alpen und in der CLOUD-Wolken­kammer am Forschungs­zentrum CERN nahe Genf weiter stopfen. In gleich drei aktuellen Studien berichten sie über natürliche Aerosole, die selbst­ständig effiziente Kondensations­keime für die Tröpfchen­bildung bilden können. So tragen neben Staub, Ruß, Salz­kristallen und Sulfaten auch rein biogene Moleküle (kurz: HOM – highly oxygenated molecules) signifikant zur Kondensation von Wasserdampf in einer an Feuchtigkeit über­sättigten Atmosphäre bei.

Abb.: Atmosphärenforscher Federico Bianchi vor einem Massenspektrometer der Forschungsstation Jungfraujoch in 3580 Meter Höhe (Bild: F. Bianchi)

Heute fördern besonders Sulfat-Aerosole die Wolkenbildung in der Atmosphäre. Sie entstehen aus Schwefel­dioxid, das beim Verfeuern fossiler Brenn­stoffe freigesetzt wird. Vor der Industrialisierung fehlten diese Aerosole allerdings weitestgehend. Eine signifikant geringere Konzentration von Kondensations­keimen in der Luft schien daher plausibel. Daher gingen Atmosphären­forscher bisher von größeren Tröpfchen in den Wolken aus als heute mit entsprechend veränderten Reflexions­eigenschaften für einfallendes Sonnenlicht.

Dieses Bild muss nun korrigiert werden. „HOMs lieferten einen signifikanten Anteil an Partikeln insbesondere in der vor­industriellen Zeit“, sagt Joachim Curtius von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, der an allen drei Studien beteiligt war. Wie die Messungen belegen, können HOMs ganz von alleine Aerosol-Partikel bilden. Bislang wussten die Forscher nur von ihrer unter­stützenden Rolle bei der Bildung von Kondensations­keimen. Mit mehreren Nanometer pro Stunde konnten aus HOMs auch größere Partikel relativ schnell wachsen. Hatten sie einen Durchmesser von etwa 50 Nanometern erreicht, kondensierte an ihnen immer mehr Wasser­dampf und es entstanden Tröpfchen.

Diesem Mechanismus kam Curtius zusammen mit seinen Kollegen aus der Schweiz, Finnland, Portugal und weiterer Staaten mit einer künstlichen Atmosphäre in der mehrere Meter hohen, zylindrischen Wolken­kammer CLOUD auf die Spur. Hier simulierten die Wolken­forscher die an Sulfaten arme Luft der vor­industriellen Zeit. Dieser setzten sie als beispielhaftes HOM das organische Molekül Alpha-Pinene zu, das von Kiefer­gewächsen freigesetzt werden kann und auch Bestandteil ätherischer Öle ist. Auf die künstliche Atmosphäre lenkten die Forscher einen Strahl Pionen, den sie mit einem Proton-Synchrotron erzeugten. Damit simulierten sie den Einfluss kosmischer Strahlung, die stetig in die Erd­atmosphäre eindringt.

Abb.: In dieser Wolkenkammer untersuchen Atmosphärenphysiker die Bildung von Kondensationskeimen. (Bild: CLOUD, CERN)

Ionisiert durch den Teilchenbeschuss ballten sich die organischen Moleküle zuerst zu etwa zwei Nanometern kleinen Partikeln zusammen. Weitere Messungen belegten, dass diese Partikel in Gegenwart flüchtiger organischer Substanzen weiter wuchsen, bis effiziente Kondensations­keime vorlagen. Diesen Mechanismus untermauerten die Forscher parallel mit molekular­dynamischen Computer­simulationen.

Labormessungen und Computermodelle allein reichten den Forschern allerdings nicht aus. So folgten auf die ersten viel­sagenden Experimente Messungen in der freien Natur in der Forschungs­station auf dem Jungfrau­joch in den Schweizer Alpen. In 3580 Meter Höhe mit geringen Anteilen an Staub, Ruß und Sulfaten untersuchten Curtius und Kollegen ein Jahr lang die Bildung von Kondensations­keimen. Mit Teilchen­zählern und Massen­spektrometer entdeckten sie an 15 bis 20 Prozent der Tage, dass natürliche HOM-Moleküle tatsächlich Kondensations­keime bildeten. „Mit dem Wissen aus dem CLOUD-Experiment wussten wir, wonach wir genau suchen sollten“, sagt Curtius. Das zeigte auch, dass in der Atmosphäre der gleiche Prozess ablaufen konnte wie im Labor.

Erste Diskussionen auf Fachkonferenzen, auf denen einige Resultate bereits vor den aktuellen Veröffentlichungen kursierten, zeigten das große Interesse von Klima­forschern an der neuen Rolle der HOMs. Um diesen eine noch bessere Daten­grundlage für ihre Klima­modelle liefern zu können, planen die Atmosphären­physiker weitere Versuche. Das Ziel: Sie wollen genauer beziffern, wie stark der Einfluss der natürlichen organischen Moleküle im Vergleich zu Staub, Ruß und Sulfat-Aerosolen auf die Wolken­bildung früher war und heute noch ist. „Wenn das Wachstum reiner biogener Aerosol-Partikel in Klima­modellen berücksichtigt wird, sollte auch der menschliche Einfluss auf Wolken und Klima besser verstanden werden“, sagt Jasper Kirkby, Sprecher des CLOUD-Experiments am Forschungs­zentrum CERN.

Jan Oliver Löfken

DE

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