17.01.2017

Wolkenwellen auf Venus

Beständige Schwerewelle deutet auf komplexe Dynamik der Venusatmosphäre hin.

Die Venus ist kein besonders wirtlicher Ort. Auf ihrer Oberfläche herrschen hohe Tempe­raturen von rund 450 Grad Celsius. Die sehr dichte Atmo­sphäre besteht vor allem aus Kohlen­dioxid, das für einen starken Treibhaus­effekt sorgt. Dichte Wolken aus Schwefel­säure reichen bis in etwa 65 Kilometer Höhe. Der Luftdruck auf der Ober­fläche beträgt rund das 90-fache des irdischen. Da diese extremen Witterungs­bedingungen direkte Aufnahmen von der Venus unmöglich machen, sind Raum­sonden das Mittel der Wahl, um mit Infrarot- und Ultra­violett-Aufnahmen die Atmo­sphäre und mit Radar die Topo­logie der Venus zu erkunden.

Abb.: Infrarot-Bilder der Venussonde Akatsuki über fünf Tage (links oben und unten) zeigen die Ortsbeständigkeit der Schwerewelle. Auch im Ultravioletten (rechts oben) zeichnet sich die Struktur in der Venusatmosphäre ab. (Bild: Planet-C)

Die japa­nische Weltraum­agentur JAXA hat deshalb 2010 die Venus­sonde Akatsuki – „Morgen­dämmerung”, früher auch Planet-C oder Venus Climate Orbiter genannt – auf den Weg gebracht, da das Schicksal der 2005 gestar­teten ESA-Sonde Venus Express bereits besiegelt war: Letztere ist nach ihrem Missions­ende 2014 in der Venus­atmosphäre verglüht. Akatsuki hätte Venus Express noch einige Jahre Gesell­schaft leisten sollen. Aller­dings verlief der Eintritt in den Venus-Orbit nicht nach Plan. Das Haupttriebwerk zündete nicht, so dass Akatsuki an der Venus vorbei­sauste und die kommenden fünf Jahre um die Sonne kreiste, bis am 6. Dezember 2015 die nächste Chance für ein Einschwenken um die Venus gekommen war. Dieses Mal kam das Manöver­triebwerk – vier kleine Düsen, die eigentlich nur für die Ausrichtung der Raumsonde zuständig sind – zum Einsatz und bugsierte Akatsuki in den geplanten Venus-Orbit. Von dort soll sie die Atmo­sphäre, das Klima und die Blitze auf unserem Nachbar­planeten untersuchen.

Die Wissen­schaftler hatten Glück im Unglück: Trotz der um fünf Jahre verspä­teten Mission konnten die Forscher am 7. Dezember 2015, gleich auf den ersten Bildern nach dem Eintritt in den Venus-Orbit, auffällige Forma­tionen in den oberen Wolken­schichten identi­fizieren. Vor allem auf den Infrarot-Aufnahmen der Long Infrared Camera (LIR) zeichnete sich dank der hohen Temperatur­auflösung dieser Kamera deutlich eine riesige Bogens­truktur auf der Venus ab, die sich vom Nordpol bis zum Südpol zog. Die Gesamt­länge dieser Wolken­struktur betrug über 10.000 Kilometer. In den oberen Wolken­schichten herrschen sehr viel tiefere Tempera­turen von rund minus 70 Grad Celsius. Da Venus einen retrograden Rotations­sinn besitzt und sich von Ost nach West dreht, bewegen sich auch die Höhen­ströme westwärts.

Da diese Wolken im frag­lichen Wellen­längen­bereich nur einen kleinen Teil der Sonnen­strahlung reflek­tieren, liefert die LIR-Kamera tags wie nachts gute Bilder. UV-Messungen sind hingegen auf die Tagseite beschränkt. Auch auf den UV-Aufnahmen zeichnete sich die Wolken­struktur ab, aller­dings mit deutlich geringerem Kontrast. Die Temperatur­unter­schiede zwischen den heißesten und kältesten Regionen der Wolken­formation betrugen rund fünf Kelvin.

Wie Nachfolge­aufnahmen mit LIR aus den kommenden Tagen zeigten, blieb diese Struktur ortsfest – eine große Über­raschung angesichts der heftigen Höhenwinde auf Venus, die mit Geschwindig­keiten von rund 360 Kilometern pro Stunde um den Planeten ziehen. Diese über­raschend schnellen Höhen­ströme sind deutlich rascher als die sehr langsame Eigen­rotation der Venus: Sie wehen in nur vier Erdtagen einmal um den Planeten. Das ist sechzig­fach schneller als ein Venustag, der 243 Erdtage dauert. Der Grund für diese „Superrotation” der oberen Schichten der Venus­atmosphäre ist bislang noch rätselhaft. Die ersten LIR-Aufnahmen endeten am 12. Dezember 2015, da Akatsuki einige notwendige Opera­tionen durchführen musste, bis am 15. Januar 2016 der Mess­betrieb weitergehen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war die Struktur verschwunden.

Ein inter­nationales Forscher­team um Makoto Taguchi von der Rikkyo Univer­sity in Tokio hat die Aufnahmen nun eingehend analysiert und mit Atmo­sphären­modellen der Venus verglichen. Die Struktur und die Orts­beständigkeit weisen eindeutig auf eine außer­gewöhnlich starke Schwere­welle hin, die sich vermutlich über einem Bergrücken gebildet hat. Geografisch lässt sich der Ursprung auf dem Plateau von Aphrodite Terra verorten, einer ausge­dehnten Hochlandr­egion in Äquator­nähe. In den letzten zwölf Monaten konnten die Forscher aber keine weiteren derartig starken Ereignisse ausmachen. Lediglich vier kleinere Ereignisse zeichneten sich ab. Dabei blieben allerdings die Temperatur­unterschiede bei weniger als ein Kelvin.

Herkömm­lichen Atmo­sphären­modellen der Venus zufolge erscheint die Ausbildung so ausge­prägter Schwere­wellen nach Ansicht der Forscher schwierig. Bodennahe, sehr viel langsamere Winde müssen den höheren Wolken­schichten eine Struktur aufprägen. Neutra­lisierende Zwischen­schichten sollten dies jedoch verhindern. Nach Simu­lationen der Forscher spricht die Struktur der Wolken­formation zwar für ein einige Kilometer hohes Hindernis wie etwa einen Bergrücken. Die heute bekannten Daten erlauben aber keine exakte Model­lierung der unteren Atmo­sphären­schichten. Wahrscheinlich sind die Luft­strömungen in den unteren Atmo­sphären­schichten der Venus komplexer als bislang angenommen. Stärkere räumliche und zeitliche Varia­tionen würden auch erklären, warum seitdem keine weiteren Schwere­wellen wie im Dezember 2015 aufgetreten sind.

Dirk Eidemüller

JOL

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