Wundheilung mit kalten Plasmen marktreif
IHK Braunschweig ehrt erfolgreiches Engagement im Technologietransfer.
Die Entwickler des bereits mehrfach ausgezeichneten medizintechnischen Verfahrens zur Wundheilungsförderung und Keimreduktion mittels gewebeverträglicher physikalischer Plasmen erhielten letzte Woche den mit 10.000 Euro dotierten Technologietransferpreis 2015 der IHK Braunschweig.
Abb.: Preisträger des IHK-Technologietransferpreises (von links): Professor Wolfgang Viöl, Dr. Andreas Helmke und Dr. Dirk Wandke. (Bild: Peter Pohl)
Professor Dr. Wolfgang Viöl, Dr. Andreas Helmke (beide Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik Braunschweig/Göttingen) und Dr. Dirk Wandke (Geschäftsführer der CINOGY GmbH in Duderstad) werden damit für ihr Engagement geehrt, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse mit großem Erfolg in die wirtschaftliche Praxis, und in diesem Falle auch in die medizinische Anwendung überführt zu haben. Mit dem Preis soll gleichzeitig auf das höchst innovative Verfahren aufmerksam gemacht werden.
Hauterkrankungen machen vielen Menschen zu schaffen. Neurodermitis, Schuppenflechte oder chronische Wunden gelten als Volkskrankheiten. Um Hautwunden zu heilen, muss der gestörte Sauerstoffzufluss wiederhergestellt werden. Wichtig ist zudem die Keimreduktion. Ein handliches Gerät erzielt nun in dieser Hinsicht beachtliche Erfolge. Der PlasmaDerm erzeugt kaltes Plasma direkt auf der Haut. Diese Medizintechniklösung – eine Weltneuheit – beschleunigt die Wundheilung deutlich. „Nach typischerweise 16 Anwendungen von jeweils 90 Sekunden ist der Heilungsprozess signifikant angestoßen“, berichtet der Plasmaphysiker Professor Wolfgang Viöl. Ungefähr 150 Geräte sind bereits in Kliniken und Arztpraxen im Einsatz.
In vorbildlicher Weise setzten die Preisträger die erforderlichen Schritte auf dem Weg von ersten Versuchsreihen zum marktreifen Medizinprodukt um und schufen damit die Geschäftsgrundlage der 2006 gegründeten Cinogy GmbH. Dabei vergingen von der ersten Anmeldung für das Grundlagenpatent bis zur CE-Zertifizierung als Medizinprodukt genau zehn Jahre. Anfang 2013 wurde das Gerät zugelassen.Derzeit wird es ausschließlich von medizinischem und pflegerischem Fachpersonal eingesetzt. In naher Zukunft soll es aber auch Privatleuten zur Verfügung stehen.
Im Fokus der Anwendungen stehen zunächst Dekubitus und offene Beine. Allein in Deutschland haben mehr als eine Million Menschen ein offenes Bein, dessen Behandlung jährlich rund 9000 Euro kostet. Im Rahmen der Einsätze im klinischen Alltag gelang es bereits, durch die Behandlung mit dem PlasmaDerm größere offene Wunden zu schließen. „Üblicherweise ist diese Gesundung innerhalb von drei bis sechs Monaten zu erwarten.“, so Professor Viöl, der eine Wundschließung am offenen Bein nach etwa 16 Anwendungen in Aussicht stellt und auf die enorme Kostenersparnis hinweist, die mit dem neuen Verfahren erzielt werden kann.
Die Anwendung ist simpel: Eine auswechselbare Elektrode – entnommen aus einer sterilen Verpackung – wird auf ein Handgerät gesteckt. Die Elektrode wird 90 Sekunden lang auf die zu behandelnde Hautfläche aufgelegt, zwei- bis dreimal wöchentlich über drei Wochen. „Bei der Behandlung wird die Umgebungsluft zwischen der Elektrode und Behandlungsfläche in ein physikalisches Plasma umgewandelt. Wir erzeugen kleine, kalte, gezähmte Gewitterblitze auf der Haut“, erläutert Professor Wolfgang Viöl.
Abb.: Eine dielektrisch behinderte Entladung (DBD) erzeugt auf der Haut ein kaltes Plasma mit heilungsfördernden Komponenten. (Bild: Fh-IST)
Das Plasma enthält heilungsfördernde Komponenten, die bereits einzeln als medizinische Therapien eingesetzt werden: ein stimulierendes elektrisches Feld, aktivierte Teilchen in der Umgebungsluft wie Sauerstoff und Ozon und niedrigdosiertes UV-Licht. Verschiedene Mechanismen wirken zusammen und helfen, den Körper zu aktivieren. Das Verfahren verbessert die Durchblutung, tötet Bakterien und Viren ab und reduziert den Juckreiz.
Als nächste geplante Anwendungsgebiete nennt Professor Viöl die Förderung der Wundheilung im Rahmen operativer Eingriffe, die Bekämpfung resistenter Keime und die Kosmetik. Geplant sind auch Forschungsaktivitäten in Richtung Neurodermitis, Schuppenflechte, Warzen und Nagelpilz. „Es gibt auch Forschung in Richtung Krebstherapie. Ein großes Potenzial.“
Trotz der vielversprechenden Studien war der Transfer nicht leicht. „Mit einer neuen Technologie Unternehmen zu überzeugen und Investoren zu finden, ist mühsam.“ So gründeten Mitarbeiter von Wolfgang Viöl 2006 ein eigenes Unternehmen. Die CINOGY GmbH ist einer Ausgründung der Fachhochschule Hildesheim Holzminden Göttingen. Geschäftssitz ist die Zentrale des Medizintechnik-Unternehmens Otto Bock HealthCare GmbH in Duderstadt, dessen Inhaber als Risikokapitalgeber gewonnen werden konnte.
IHK Braunschweig / Fraunhofer-IST / LK